Montag, 29. September 2014

Glückliche Familie Nr. 243: Synchron-Schlafen


Jemand aus unserer Familie durfte aus medizinischen Gründen zwei Tage lang nichts essen. Als diese vorbei waren, sollte es eine Feier der Völlerei geben und ich bin zum Griechen gefahren, um für alle "Gyros-komplett" zu holen. Gut, dass ich zufällig "Kinder verstehen" von Herbert Renz-Polster dabei hatte, denn ich musste lange warten. So saß ich zwischen aufgeklebten Tempel-Säulen im Knoblauch-Dunst und vertiefte mich in die Kapitel über den Baby-Schlaf.

Was ich dort las, war so herzerwärmend, dass ich den Wein und die ganzen Ouzos, die man mir anbot, nicht brauchte, um die Wartezeit zu verkürzen.

Wusstet ihr, dass die Körper von Mutter und Kind miteinander korrespondieren, wenn das Baby bei der Mutter im Bett schläft?
Körpertemperatur und Schlafphasen gleichen sich an, so dass bei Mutter und Kind die Phasen flachen und tiefen Schlafs parallel verlaufen. Und nicht nur das: Videos aus dem Schlaflabor von schlafenden Mamas zeigen, dass sie sogar im Schlaf die Position des Babys korrigieren, es also zum Beispiel von der Bauchlage auf den Rücken drehen, was ja ein geringeres Risiko bezüglich des plötzlichen Kindstodes birgt. (Herbert Renz-Polster: Kinder verstehen, Seite 127) Folglich kannst du von den Bahamas träumen und mit den Surfbrett die nächste Welle nehmen, während du das kleine Bündel neben dir wieder in die richtige Position bringst. Mitten im Schlaf. Ist doch irre, oder?

"Videoaufnahmen mit Infrarotkameras zeigen zudem, dass selbst die Bewegungen von Mutter und Kind unbewusst aufeinander abgestimmt sind. Die meisten beobachteten Mutter-Kind-Paare liegen sich fast die ganze Nacht Gesicht zu Gesicht gegenüber. Dabei werden immer wieder schützende oder 'ordnende' Eingriffe der Mutter beobachtet." (nach Richard u.a. 1996 beschrieben von H. Renz-Polster, ebd., Seite 127) 

Demzufolge werden Babys, die gestillt werden und im Bett der Eltern schlafen, zwar häufiger wach, schlafen aber auch schneller wieder ein. Und wegen der synchronisierten Schlafphasen wird die Mutter auch nicht aus dem Tiefschlaf gerissen. Die Experimente aus dem Schlaflabor zeigten, dass die Versuchsmütter mit dem Baby im Bett erholsamer schliefen, als wenn ihr Baby im Nebenzimmer nächtigte.

Das ist doch genial. Warum sagt einem das denn keiner?

Die Untersuchung, die Renz-Polster beschreibt, ist von 1996. Der Kronprinz ist 1997 geboren. Das hätte ich doch auf jeden Fall ausprobiert.

Jetzt fällt mir auf, dass Renz-Polster gar nichts über die Väter geschrieben hat. Werden die gleich mit synchronisiert, wenn der Nachwuchs mit im großen Bett liegt? Und klappt das auch, wenn der Säugling in einem Bettchen liegt, das man an das große Bett dranhängen kann? Welche Reichweite haben die elterlichen Schlafsignale? Wie klappt das bei Flaschen-Kindern?

Fragen über Fragen.

Bei Renz-Polster gefällt mir gut, dass er in seinem Buch keine religionsartigen Kriege für die eine oder andere Einschlaf-Methode oder für oder gegen das Stillen führt. Er weiß, das ist für Mütter ein vermintes Feld. Und für jede Familie ruckelt sich zurecht, was gut zu den jeweiligen Menschen und ihrem Leben passt.

Er schreibt, dass sich die segensreichen Wirkungen des gemeinsamen Übernachtens auch nur entfalten, wenn alle Beteiligten solchen gemeinsamen nächtlichen Happenings zustimmen können. Seine Majestät der Soßenkönig, sonst ein großer Freund des Kuschelns, hatte immer Bedenken, er würde unser Kind im Schlaf unter sich begraben (hier fehlten uns noch die Kenntnisse der Schlaf-Synchronisation, denn wahrscheinlich hätte ich ihm Tiefschlaf einen rechten Haken verpasst, das Baby gerettet und alle hätten weiter geschlummert.)

Auf jeden Fall gibt es wohl keine Belege dafür, dass es der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes schaden würde, wenn es in einem anderen Zimmer übernachtet. Und umgekehrt werden Kinder auch nicht weniger selbstständig, wenn sie als Baby bei ihren Eltern schlafen dürfen.

Was man aber auf keinen Fall machen sollte, ist die Methode aus dem einstigen Bestseller "Jedes Kind kann schlafen lernen". Dort wurde empfohlen, das Baby durch immer längere Phasen des Alleinseins im eigenen Zimmer an selbstständiges Einschlafen zu gewöhnen. Nicht machen! Damit erreicht man ein gestresstes Resignieren, aber kein friedliches Einschlummern.




Aus dem Schlaf-Kapitel habe ich mitgenommen:
  • Mit dem Baby zusammen im großen Bett zu schlafen, kann segensreiche Wirkungen entfalten.
  • Die Natur ist genial.
  • Wenn Kleinkinder nicht einschlafen können, weil sie im Dunkeln Angst vor Monstern haben, kann es helfen, ein Licht brennen zu lassen. Aber auf keinen Fall die ganze Nacht, weil selbst schwaches Licht die Bildung des "Rhythmushormons" Melatonin im Gehirn stört. Am besten Zeitschaltuhr verwenden.
  • Sich das Einschlafritual, das man einführen möchte, gut überlegen. Wenn Kinder nachts aufwachen, brauchen sie das gleiche Ritual wie am Abend, weil es für sie wie eine "Brücke" in den Schlaf ist. Wer also eine Geschichte liest, singt, über den Kopf streicht und den Bauch fönt (Familie Katzenklo in ihren Anfängen), wird damit leben müssen, dass das Kind in der Nacht das gleiche Programm einfordert. 
  • Großen Kindern kann man einige spannende Fakten über den Schlaf erzählen: das für das Wachstum wichtige Hormon wird hauptsächlich nachts ausgeschüttet - im Schlaf werden Reperaturarbeiten an den Körperzellen durchgeführt - nachts produziert der schlafende Körper besonders viele Immunstoffe und schützt einen so vor Krankheiten - im Schlaf sortiert sich das Gehirn neu und funktioniert morgens wieder besser (das sieht man daran, dass Insekten und Würmer keinen Schlaf brauchen, denn da ist kaum was zu sortieren) 

Immer fröhlich auf gutes Schlafen achten und mal ausprobieren, ob es auch gemeinsam im großen Bett klappt.

Eure Uta


PS: So begeistert ich auch davon bin, Babys bei sich schlafen zu lassen, würde ich Kleinkinder so ab eineinhalb oder zwei Jahren aus dem Elternschlafzimmer ausquartieren. Dann ist es - auch für die Kinder - wichtig, dass Mama und Papa wieder mehr ein Paar sein dürfen. Wenn ein großes Kind krank ist, Albträume hat oder eine schwere Zeit durchmacht, kann man Ausnahmen machen.
Aber ich habe den Eindruck, dass viele Mütter es übertreiben und das gemeinsame Übernachten bis in Schulzeiten hinein der Einstieg dafür sein kann, den Mann und Vater an den Rand der Familie zu drängen.