Montag, 14. Juli 2014

Glückliche Familie Nr. 231: Streit bei kleinen Geschwistern


Neulich schrieb eine Mama in einem Kommentar, dass sie nicht wisse, wie sie sich bei Geschwisterstreit verhalten solle. Ihre Kinder seien eineinhalb und drei Jahre alt. Es ging um Schubsen und schließlich drängte sie das größere Kind, sich bei dem Kleineren zu entschuldigen.

Eine andere Mama antwortete, man müsse unbedingt eingreifen, sonst entstünde eine Gewaltspirale. Sie schrieb, sie würde sich in der Regel anhören, wo das Problem läge, und versuchen, eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten annehmbar sei.

Mein Ansatz sieht anders aus.

Dazu eine Geschichte aus einem meiner ersten Posts:

Tom, sechs Jahre alt, baut eine Autobahn in der Sandkiste. Gerade ist ein gewagter Alpenpass festgeklopft worden, als Theresa, 4, der Schrecken aller Straßenbauer, mit einem Stock tiefe Löcher in das Fundament bohrt. Der Bauleiter reißt ihr den Stock weg, die Kleine rennt heulend zur Mutter. "Tom, hat mir den Stock weggenommen!" Schnappatmung, sandige Tränenrinnsale auf beiden Wangen, das ganze Programm.

Was jetzt kommt, haben wir alle schon gemacht: Mutter marschiert genervt zu Tom, sagt einen der Ich-habe-dir-schon-tausendmal-gesagt-Sätze. Jetzt heult Tom, wirft mit Sand. Mutter schleift ihn hinter sich ins Haus. Klein-Theresa sitzt selbstzufrieden in den Trümmern des alpinen Autobahnkreuzes.

Bei einer Mutter, die an Gerechtigkeit glaubt, hätte das noch länger gedauert. Sie hätte klären wollen, wer angefangen hat, hätte Tom gepredigt, er müsse Rücksicht nehmen, weil die Schwester kleiner, schwächer, ein Mädchen sei ... was auch immer. Das Ergebnis wäre das Gleiche gewesen. Nur Theresa hätte gelernt, welche immensen Vorteile diese Opfer-Nummer hat.


Bei dieser Geschichte hätte ich keine höchstrichterlichen Ermittlungen eingeleitet, sondern Theresa kurz getröstet (so nach dem Motto "Ja, unter Geschwistern gibt es eben manchmal Streit") und ihre Aufmerksamkeit dann auf ein anderes Thema gelenkt. Bei Tom - wäre er gekommen - hätte ich mich genauso verhalten. Bloß nicht anfangen zu klären, wer angefangen hat oder die Schuld trägt.  

Wenn ich allerdings die Situation unmittelbar erlebe und die Kinder wie in dem Leserkommentar erst eineinhalb und drei Jahre alt sind, würde ich kurz eingreifen, wenn sie gewalttätig werden. Sich das Kind schnappen und sagen: "Ich will nicht, dass du schubst." Fertig. 
Wenn es nicht damit aufhört, wiederholen: "Ich will nicht, dass du schubst." 

In dem Alter sind das typische Eifersuchts-Scharmützel. Da hilft es langfristig, mit dem älteren Kind mehr Zeit zu verbringen. Es ist wichtig, es nicht in dem Moment mit Aufmerksamkeit zu belohnen, in dem es gehauen oder geschubst hat, sondern sich das für den Rest den Tages vorzunehmen: heute noch innige Zeit mit Sofia, Vorlesen auf dem Schoß, kuscheln, durchkitzeln, nur wir beide ohne den kleinen Schreihals ... 

Mit einer Entschuldigung kann weder das Dreijährige noch das kleine Kind etwas anfangen. Sie verstehen es nicht, weil es viel zu abstrakt ist. Und es bringt moralische Kategorien ins Spiel, die wenig nützen: Da hat jemand Schuld, da ist jemand böse, ein Sündenbock. Da wird jemand gezwungen etwas zu sagen, was er gar nicht versteht oder gar nicht sagen will. Nicht machen, das ist Gift für die Geschwisterliebe!

Noch einmal zusammengefasst, was auf Dauer hilft:
  1. Wenn man direkt dabei ist, kurz und klar einschreiten: "Ich will kein Schubsen (Hauen, Schlagen, Treten ...)!"
  2. Achtung! Nicht das Kind ist böse, sondern die Tat, nicht zu Entschuldigungen zwingen.
  3. Wer mit Schubsen oder Hauen nicht aufhört, muss woanders spielen.
  4. Mit größerem zeitlichen Abstand zu den Vorkommnissen sich exklusive Zeit nehmen für den "Täter".
  5. Das ältere Kind nicht behandeln als Störfaktor bei der Versorgung des kleineren Kindes, sondern einbeziehen und immer wieder verkünden, wie froh und dankbar die Eltern sind, schon ein so großes Kind zu haben.

Haben sich auch die Stirn geboten, Kronprinz und Prinzessin als Kleinkinder. Die Stirnwunde bei ihm war bei einem Sturz entstanden, sie bekam aus Solidarität auch ein Pflaster.

Immer fröhlich darauf verzichten, einen Konflikt zwischen Kindern aufklären zu wollen.

Eure Uta