Dienstag, 6. Mai 2014

Glückliche Familie Nr. 217: Kratz-Eis


Dies ist kein Food-Blog und ich bin keine Köchin. Immer wieder lese ich von Menschen, die kochen oder backen, um zu entspannen.

Entspannen? Die Bohnen müssen blanchiert und warm gehalten werden, während das Fleisch, das ich zu marinieren versäumte, in der Pfanne zwischen den verkohlten Zwiebeln austrocknet. Der Blätterteig will noch mit Eigelb bepinselt werden, ein Schalenstück treibt im gelben Glibber und will nicht auf den kleinen Löffel, mit dem ich nach ihm angele. Und wer kann zu den Nachbarn laufen und fragen, ob die noch eine Bio-Zitrone haben? Jetzt kommen die Fleischtomaten dran. Ich soll Fleischtomaten häuten? Ich? Ich habe so viele Dosen-Tomaten im Keller, als drohe morgen ein atomarer Erstschlag. Hier wird nix gehäutet.

Besser geht es beim Backen, weil da alles so schön der Reihe nach kommt. Die erste Wut aber kriege ich, wenn Leute ein Rezept mit dem Satz beginnen: "Den Ofen auf 200 Grad vorheizen". Eigentlich ein harmloser Satz. Aber das ist ja das Perfide. Diese Leute wollen einem das Gefühl geben, als ließe sich der Teig in der Zeit vorbereiten, die der Ofen zum Vorheizen braucht. Nie, nie komme ich hin mit dieser Zeit. Angeberisch piepst die Vorheiz-Uhr am Ofen: "Ich war schneller fertig, ätsch!" Ich reibe die Zitronenschale durch bis zum Fruchtfleisch. Der Verantwortung für den Klimawandel durch leer vor sich hin heizende Backöfen drückt mich nieder. Ich habe vergessen, die Springform einzufetten. Also die Betonbutter aus dem Kühlschrank in die Mikrowelle stellen, den Backpinsel aus der Spülmaschine klauben... Wenn ich die Form endlich in die heiße Luft schiebe, tue ich das mit letzter Kraft und sinke danach mit beschlagener Brille in den Lesesessel.

Entspannen beim Kochen und Backen? Nicht für mich.

Dabei lege ich, seitdem ich das erste Mal schwanger war, großen Wert auf gesunde Ernährung. Ich kaufte Mörser und Getreidemühle, schleppte kiloweise Vollkornmehl nach Hause und dekorierte das Küchenfenster mit Kräutern und Knoblauchzöpfen. Gemüse wurde nur noch dampfgegart, und als Schwangere aß ich mehr Sonnenblumenkerne als die Schwarzdrossel draußen im Futterhäuschen.

Gesund und lecker zu essen, ist auch eine Frage der Selbstliebe und Achtung vor dem eigenen Körper. Das möchte ich unbedingt den Kindern durch mein leuchtendes Vorbild vermitteln.

Trotz der Kämpfe in der Küche hat es das leuchtende Vorbild nicht geschafft, Kronprinz (16) und Prinzessin (13) ihre Lust auf "Kratz-Eis" auszutreiben. Kennt ihr "Kratz-Eis"?
Kaum nähern wir uns dem Sommer, halten sie in Supermärkten Ausschau nach den Bechern, deren Inhalt wie Frostschutzmittel aussieht: giftgrün, Tankstellen-blau und ein Rosa wie das vom Nagellackentferner. Meist kaufen sie sich eine ganze Palette davon und verstauen die Becher einmütig im Gefrierschrank. Wenige Stunden später könnt ihr sie auf der Terrasse oder in ihrem Bett sitzen sehen, ein Handtuch um den eisigen Becher geschlungen, schaben sie versonnen mit dem Löffel auf der kleinen Eisfläche herum.

Wenig später finde ich dann die Becher im gelben Sack und will gar nicht lesen, wie viele Farbstoffe und Geschmacksverstärker darin stecken.

Aber ich bin nicht die Mutter, die belehrende Vorträge hält. Meine Antwort ist: eigenes Kratz-Eis.




Und nach der Vorgeschichte könnt ihr sicher sein, dass es ein einfaches Rezept ist. Kein tagelanges Marinieren, kein Vorheizen von Backöfen, keine Eier, die man zimmerwarm stellen muss.

Und weil es alle Kinder lieben, die ich kenne, gibt es hier ausnahmsweise ein Rezept.



Himbeer-Kratz-Eis

300g Bio-Himbeeren tiefgekühlt

50g Puderzucker

2 Esslöffel Zitronensaft

6 Minzeblättchen (kann man weglassen, wenn man keine hat)

100g Sahnejoghurt

1-2 Esslöffel Limettensaft

1 Esslöffel flüssiger Honig


Die Himbeeren so lange in einem schmalen, hohen Becher auftauen, dass sie pürierfähig sind. Puderzucker und Zitronensaft hinzufügen und mit dem Pürierstab pürieren. 
Die Minzeblättchen fein schneiden und mit den übrigen Zutaten unterrühren.
Das Himbeer-Mousse in kleine Glasbecher füllen (ich habe die gesammelt, in denen beim Möbelschweden die Vanille-Kerzen verkauft werden) und einfrieren.
Die Menge ergibt fünf Gläser wie abgebildet.

Etwa 20 Minuten vor dem Essen herausnehmen. 



Keine Vitamin-Vorträge halten, sondern immer fröhlich Kratz-Eis produzieren.

Eure Uta