Mittwoch, 29. Januar 2014

Glückliche Familie Nr. 196: Die Schule leichter nehmen


Obwohl der Weihnachtsbaum längst abgeholt wurde, habe ich noch eine Tannennadel gefunden. Sie hatte sich unter der Fußleiste versteckt, dann klebte sie am Handfeger, klammerte sich an den Rand des Mülleimers, schaffte es irgendwie, sich an meinen Socken zu hängen, war mit den Fingern schwer zu greifen, harzklebrig und flutschig zu gleich.




Mit dem "Ich-bin-nicht-gut-genug"-Gefühl verhält es sich genauso. Es ist auch so eine Klette.

Da hat man alle Nadeln von der Terrasse und alle schlechten Meinungen über sich selbst aus dem Hirn gefegt, hängt da wieder eine kleine Nadel auf der Fußmatte und ein kleiner schmutziggrauer Zweifel am eigenen Selbstgefühl.

"Hey, Zweifel, wo kommst du jetzt wieder her und verbreitest ungefragt so eine Mattigkeit in mir?"

Das mit den "Nicht-gut-genug"-Gefühlen, die einen piksen wie alte Tannennadeln, ist wichtig, weil dieser Blog seinem Forschungsauftrag treu bleiben möchte. Und der lautet:

Wie kommen so viele kleine Menschen, die am Anfang ihres Lebens keine Frage dazu hatten, ob sie ausreichend sind, im Laufe ihres Großwerdens dazu, immer mehr zu denken: 
"Ich bin nicht gut genug" und wie können wir Eltern vermeiden, dass dieser Gedanke sich in ihrem Kopf festsetzt?


Eine, wenn nicht die entscheidende Antwort lautet: 

Es ist das "Nicht-gut-genug"-Gefühl ihrer Eltern, es ist eigentlich ihr Ding, das diese treibt, die Kinder anzutreiben, mehr für die Schule zu tun, den Ranzen zu kontrollieren, sie herunter zu putzen, wenn die Hausaufgaben nicht ordentlich sind, ihnen das Schwimmzeug zu packen ("sonst fehlt da sowieso wieder die Hälfte"), sie dann später zur Studienberatung zu schicken, ihnen die Bewerbung zu tippen ... 

Unsere Kinder treiben dann wieder ihre Kinder an oder sie bekommen gar keine mehr, weil sie an ihren eigenen Eltern abschreckend erlebt haben, wie diese ausbrennen über die Jahre wegen all der Sorgen und Ängste um die Kinder. Das fängt an bei der Wahl des "richtigen" Geburtsvorbereitungskurses und hört noch nicht auf, wenn der Farbauslöser vom Schwangerschaftstest einen Ausbildungsplatz sucht. 

Wenn mehrere Eltern an einem Ort zusammen treffen, bei Elternabenden oder ähnlichen Veranstaltungen, ist die Stimmung so gut wie nie ausgelassen und unbekümmert. Von "Leichtigkeit" weit und breit keine Spur.

Kurz vor Weihnachten traf ich die Klassenlehrerin meiner Tochter. Sie wünschte mir ein frohes Fest und meinte: "Wie sehen uns ja im Februar beim Elterngespräch, dann reden wir mal ausführlich."

Ups, sofort hatte ich einen Kloß im Hals.

Was meinte sie mit "ausführlich"? Hatte das "dann reden wir mal" nicht einen bedrohlichen Unterton? Guckte sie nicht irgendwie besorgt?

Ja, und wenn? Selbst wenn den Lehrern etwas nicht passt an meinen Kindern, weiß ich doch, dass sie absolut vollkommen sind, selbst wenn der Schulsenator persönlich bei uns klingeln und etwas anderes behaupten sollte.

Oder die Lehrerin hat vielleicht sehr konstruktive Vorschläge, wie sich mein Kind besser in der Schule einbringen kann. Auf jeden Fall kann mein Hirn die Abteilung "Sorgen machen" oder "ein Problem erschaffen" gleich wieder dicht machen.

Ich bin es wirklich leid, dass ich diesem Schuldruck, diesen diffusen eigenen Kinderheitsängsten immer wieder auf den Leim gehe.

Wenn ich nicht aufhöre mit meinem "Nicht-gut-genug", ziehe ich meine Kinder mit da hinein. Und dann können wir über Generationen so weitermachen und haben keine Kraft für die entscheidenden Dinge (mal eben kurz die Welt retten).

Jetzt habe ich nicht den durchschlagenen Tipp für die Vernichtung der gemeinen kleinen Tannennadel in meinem Selbstgefühl außer
  • sich jeden Tag neu für das Gefühl "ich bin vollkommen" entscheiden und die Wohnung mit entsprechenden Post-its zu pflastern
  • Musik auflegen, das hilft mir immer. Ich habe eine CD gebrannt mit heiterer Entspannungs-Musik. Die lege ich ab und an zum Frühstück auf. Dann startet die Katzenklo-Familie gleich viel leichter in den Tag und ich freue mich riesig, wenn ich Prinzessin (13) den letzten Titel summen höre, während sie den Schulrucksack schultert und in die dunkle Kälte tritt.

Hoffentlich könnt ihr die Titel lesen. Es handelt sich um die Klavier-Musik aus dem Film "Die fabelhafte Welt der Amelie", um drei Titel von Ludovico Einaudi aus "Ziemlich beste Freunde" und um das Klarinetten-Konzert von Mozart, das auch in "Jenseits von Afrika" auf dem alten Grammophon der Farm gespielt wird.


In dem Coaching, an dem ich teilgenommen habe, hieß es: 

"Das größte Geschenk, das Eltern ihren Kindern machen können, ist, selber glücklich zu sein." 

Was verhilft euch zu mehr Leichtigkeit im Alltag?

Immer fröhlich Musik auflegen und die Schule leichter nehmen

Eure Uta

Freitag, 24. Januar 2014

Glückliche Familie Nr. 195: Die Gewinnerin


Gestern Abend hat Kronprinz in den Lostopf gegriffen und die Gewinnerin meiner Buch-Verlosung gezogen.

Das Buch "Children's spaces" von Judith Wilson und Debi Treloar ist schon verpackt und geht an ...





Josy

vom Blog applytree


Liebe Josy, ganz herzliche Glückwünsche!


Bitte sende mir eine Mail mit deiner Anschrift, dann kann ich das Buch auf den Weg schicken.

Wie immer fröhliche Grüße

Eure Uta

Mittwoch, 22. Januar 2014

Glückliche Familie Nr.194: Wenn der Zwerg das Sagen hat


Mir war es von Anfang an wichtig, Kinder nicht zu behandeln, als wären sie unfertige Halbmenschen, die es zu disziplinieren und zu formen gilt.

Jahre später habe ich erkannt: Diese Überzeugung darf nicht dazu führen, dass man vor lauter Ehrfurcht vor diesen kleinen neuen Menschen in eine Verantwortungsstarre fällt und der Zwerg das Sagen hat, kaum dass er die ersten Worte dafür hat.

Wenn man Eltern wird, muss man bereit sein zu führen.

Ich war das anfangs nicht.

Ich war so begeistert von dieser Schöpfung mit den Speckbeinchen und den braunen Smarties-Augen, dass ich meinen ganzen Tag nach dem kleinen Kronprinzen ausrichtete, meine eigenen Bedürfnisse total zurückstellte und sofort am Bettchen stand, wenn er auch nur einen Muckser von sich gab.

Im Alter von etwa einem dreiviertel Jahr liebte es seine Durchlaucht, Treppen hochzukrabbeln. So konnte man uns beide in dem Haus, in dem wir damals unsere erste Wohnung hatten, im Flur antreffen, beide auf allen Vieren auf der Treppe.

"Das ist gut für die motorische Entwicklung", erklärte ich der Mülltüte, mit der ich plötzlich auf Augenhöhe war. Unser Nachbar von oben hielt sie in der Hand und betrachtete nachdenklich Mutter und Sohn, die nebeneinander auf allen Vieren die Treppe bezwangen. Der ältere Herr schien nur noch zu überlegen, ob er mich in der Psychiatrie oder in der Hundeschule anmelden sollte.

Das Treppenkrabbeln bereue ich nicht. Das hat Spaß gemacht. Aber es gab Phasen, in denen wir gar nicht aus dem Haus kamen, weil ich nicht wagte einzuschreiten, wenn er partout alle seine 23 Autos in die Taschen vom Schneeanzug stopfen wollte.

Das führt zu Baby-Burn-out. Nicht beim Baby, sondern bei seiner Mutter. Meinen Job vorher als Zeitschriften-Redakteurin fand ich vergleichsweise erholsam.




Wenn ich heute noch einmal ein Kleinkind hätte, würde ich so gerne Folgendes ausprobieren.
  • Ich würde versuchen, es (fast) immer in meiner Nähe zu haben, aber dabei mehr mein Ding zu machen. Bei den Kleinen ist Nähe, Ansprache und Einbeziehen wichtig, nicht unbedingt Bespielen und Bespaßen.
  • Ich würde mir in den schönsten Schriften den Satz "Ich bin und bleibe hier der Chef" ausdrucken und überall in die Wohnung hängen. (Wahlweise auch "Papa und ich sind hier die Chefs.")
  • Ich würde mir einen Korb mit Deckel in den Wohnraum stellen und darin die verschiedensten Gegenstände sammeln: Schneebesen, Holzlöffel, kleine Trommel, Schlüsselbund, ein Stück Fell,  Ball, Zipfeltuch, verschiedenste Rasseln, damit immer etwas zum Entdecken und Spielen greifbar ist, aber auch schnell wieder verschwinden kann. (So einen Korb bzw. Schublade hatte ich tatsächlich und es war wunderbar. Es dürfen natürlich keine verschluckbaren Teile dabei sein, aber gerne die verschiedensten Materialien und unbedingt Sachen, die Lärm machen.)
  • Ich würde die körperlichen Bedürfnisse des Kindes (Hunger, Schlaf, Wach-Sein, Wärme, Kälte) von Anfang an achten und zum Beispiel kein Essen aufdrängen, aber wann wir den Spielplatz verlassen, ob es ein Eis gibt und welche Schuhe wir kaufen, bestimme natürlich ich. 

Immer fröhlich bereit sein zu führen

Eure Uta




Donnerstag, 16. Januar 2014

Glückliche Familie Nr. 193: Kinderzimmer einrichten


Der Nachttisch für Prinzessin ist seit Wochen nicht lieferbar. Prinzessin (13) stört das nicht. Wohndesign ist ihr nicht wichtig.

Aber mir ist es wichtig. Wie schön wird es aussehen, wenn der warme Schein der Nachttischlampe auf das matte Holz fällt. Das Buch mit dem Einhorn auf dem Umschlag werde ich schräg auf den Tisch legen, daneben die kleine Glasvase mit einer rosa Tulpe.

Wenn ich neue Handtücher ins Bad bringe, werde ich kurz in der Prinzessinnen-Tür verweilen und einen Blick auf das Ensemble mit Bett, Buch und Nachttisch werfen.

Wenn ich mein Laptop wieder ins Arbeitszimmer trage, werde ich die Tulpe um fünf Grad Richtung Fenster drehen.

Sollte ich nicht die Heizung herunter regeln und einmal durchlüften? Und während ich warte, bis genug frische Luft im Zimmer ist (wichtig!), fällt mir ein, dass der kleine Bilderrahmen, bei dem der Lack etwas abgeblättert ist, perfekt über den Nachttisch passen würde.

Ein wohliger Schauer läuft mir über den Rücken. Eines Tages wird es ei uns aussehen wie in dem Wohnzeitschriften-Kinderzimmer, das ich neulich beim Zahnarzt entdeckte: modernes Bett, Turnstange aus einer alten Dorfschule an der Wand montiert, daran ein rosa Tütü, Ballettschuhe, weiß lackierter Metall-Spind ...

Der schönste Moment, Kinder zu haben, ist manchmal der, wenn sie nicht da sind.

Besonders, wenn man Einrichtungsideen in ihren Zimmern entwickeln möchte.

Und wenn die Idee fertig ist und die Kinder wieder da sind, dann kann man unter einem Vorwand anklopfen und ganz beiläufig seine Idee unterbreiten. "Ich habe neulich, hüstel, hüstel, ein Bücherregal entdeckt, das zufällig genau hinter deine Tür passen würde." oder "Für deine Schulsachen fände ich ein Hängeregister ideal. Was meinst du?"

Meistens werden meine Ideen akzeptiert, aber ich fühle mich schlecht dabei. Ich fühle mich wie jemand, der ihnen ein "Wachturm"-Abo oder Staubsaugerbeutel andrehen will.

Schließlich ist es ihr Zimmer.

Und wie wichtig war es mir früher, endlich ein eigenes Zimmer zu haben.

Aus einer alten Styropor-Verpackung hatte ich mir einen Tresor gebaut. Der stand neben meinem Bett und war so mit einem Glöckchen gesichert, dass ihn niemand öffnen konnte, ohne ein Klingeln auszulösen. Jedem Einbrecher, der scharf auf Styropor-Tresore und den rostigen Kronkorken darin war, hätte ich sofort mit dem Kopfkissen eins übergebraten.

Die Kiste der neunjährigen Uta würde vor den Augen der erwachsenen Mama-Uta nicht bestehen können. Sie war schmuddelig weiß und hässlich wie die Nacht. Immer wieder hatte ich kleine Brocken herausgepult und den Namen meines Grundschul-Schwarms in die Seite geritzt. Innen drin befand sich der Korall-Ring, den meine Großeltern mir geschenkt hatten, ein gestrickter Löwe vom Kirchenbazar und meine und Frank Schneeballs Kronkorkensammlung. (Frank war mein Freund aus der Straße. Mit ihm hatte ich die Kronkorkensammlung und ein florierendes Geschäft für Unkraut-Samen.)

Mein Vater hatte selbst ein Bett für die Nische in der Wand gezimmert. Aber sonst kümmerten meine Eltern sich nicht darum, wie ich mein Zimmer einrichtete. Auch die Eltern meiner Freundin Kristin ließen große Freiheiten bei der Gestaltung von Kristins Zimmer. Als wir etwa 13 Jahre alt waren, erlaubten sie Kristin und ihren Freundinnen (ich auch!), ihr Zimmer neu zu tapezieren.
Das war ein Spaß. Die eine oder andere Bahn hing schief. Aber ich werde unser Glück nie vergessen, wie wir in dem Kleister rührten, über Jungs quatschten und aus Tapeten-Resten feuchte Lampenschirme formten.

Jetzt hat wieder mal ein Post eine Richtung genommen, die er nicht haben sollte. Die Dinger machen sich einfach selbständig in meinem Kopf.

Ich wollte ein Einrichtungsbuch verlosen und euch animieren, mit viel Freude und neuen Ideen die Zimmer eurer Kinder zu gestalten. Und dann wird daraus ein Freiheits-Thema, ein Appell dafür
  • euren Kindern ihre eigenen Ecken zu lassen, auch wenn sie es nicht ins "Schöner Wohnen" schaffen mit ihrem Zimmer
  • ihnen Material zu geben für kuschelige Höhlen: Decken, Matratzen, Schaumstoffelemente, Wäscheklammern, Seile
  • ihnen etwas zu geben zum Schaukeln, Hüpfen oder Wippen im Zimmer
  • ihnen Flächen an der Wand zum Selbermalen zu lassen
  • ihnen Regale, Gläser, Setzkästen für ihre Sammelleidenschaft zu geben
  • eine Verkleidungskiste mit bunten Tüchern, Mamas Brautschleier, Sonnenbrillen und Hüten zu füllen
  • an ihre Tür zu klopfen, wenn ihr eintreten wollt (spätestens ab 10 Jahren), und zu akzeptieren, wenn ihr mal nicht dürft (es sei denn, es sickert Blut darunter durch)
  • ihnen Holzkisten oder Pappschachteln zu überlassen für ihre Schätze oder ihnen mal einen kleinen Tresor zu schenken (Kinder und Jugendliche lieben Tresore) 

Das Buch verlose ich trotzdem. Denn wenn man nicht zu perfektionistisch ist, ist ja beides möglich: wunderschöne Kinderzimmer einrichten und sie von ihren Bewohnern mit gestalten zu lassen.

Es ist das Buch "children's spaces, from zero to ten" von Judith Wilson und traumhaften Fotos von Debi Treloar, erschienen 2001 in New York, ein Bildband mit englischen Texten.

Da meine Kinder nicht mehr "from zero to ten" sind, dachte ich, ich kann jemandem eine Freude machen, der kleine Designer in diesem Alter hat. 

Schaut mal, das ist es:




Wer an der Verlosung teilnehmen möchte, schicke mir bitte einen Kommentar, in dem ihr aus den Zimmern eurer Kinder berichtet. Werden da Höhlen gebaut? Gibt es eine Schatzkiste? Darf man an die Wand malen? Sind Geheimnisse erlaubt? Klopft ihr an? Hat jedes Kind sein eigenes Zimmer oder gibt es ein gemeinsames Schlafzimmer und ein Spielzimmer?*

Einsendeschluss ist Mittwoch, 22. Januar 2014.

Viel Glück bei der Verlosung und immer fröhlich einrichten und den Kindern ihre Ecken lassen

Eure Uta




*So eine Aufteilung in ein gemeinsames Schlafzimmer und ein Spielzimmer kann bei Kindern unter 10 Jahren Sinn machen. Dann kommt nicht so ein Territorial-Verhalten auf und es kann dazu führen, dass es weniger Geschwisterstreit gibt. Hat jemand Erfahrungen damit? (auch ein solcher Kommentar qualifiziert seinen Schreiber für die Verlosung).

Mittwoch, 15. Januar 2014

Vielen Dank für so viele Kommentare!

Ich möchte mich ganz herzlich bedanken für die vielen Kommentare, Dank-Zuschriften und persönlichen Geschichten, die Ihr mir gesendet habt. Die Resonanz auf den Kann-Kind-Post war überwältigend. Ich habe mich sehr gefreut.

Weiterhin erreichen mich Kommentare, die das Für und Wider des frühen Einschulens erörtern und darüber hinaus Spekulationen über unseren Kronprinzen und seine Begabungen anstellen. Das sprengt den Rahmen meines Blogs und ich hoffe, Ihr habt Verständnis dafür, dass ich keine weiteren Kommentare zu dem Kann-Kind-Thema veröffentliche. Der nächste Post aber ist in Vorbereitung ...

Herzlichen Dank noch einmal für die große Anteilnahme!

Eure Uta




Samstag, 11. Januar 2014

Glückliche Familie Nr. 192: Das Kann-Kind


Ich hatte hier versprochen, unsere Schulgeschichte zu erzählen.

Der Kronprinz (heute 16) war ein "Kann-Kind". Nicht nur ein Kind, das in den Augen seiner verliebten (und deshalb unzurechnungsfähigen) Eltern alles kann, sondern auch im Oktober geboren ist und deshalb im Alter von fünf Jahren eingeschult werden "konnte".

Wie alle Eltern fanden und finden wir unseren Kronprinzen ganz besonders begabt und waren fest davon überzeugt, dass sich dieses Kind nicht länger mit dem Babykram im Kindergarten herumschlagen und deshalb früher eingeschult werden sollte.

Der Leiter der Grundschule ließ den Prinzen ein Bild malen und befand ihn nach wenigen Strichen für schulreif, was wohl auch damit zusammenhing, dass der Mann Argumente brauchte für die Schulerweiterung von zwei- auf dreizügig.

Später erfuhren wir, dass er jeden Fünfjährigen für schulreif erklärte, der ihm unter die Buntstifte kam. Aber wir waren so gebauchpinselt (siehe elterliche Unzurechnungsfähigkeit), dass wir den Rektor für scharfsinnig hielten.

Bei der Einschulungsfeier stand der kleine Prinz mit seiner Schultüte auf der Bühne und sah aus wie ein Gulliver, der für einen Riesen die Eiswaffel hält.

Die Schule begann. Unser Sohn bekam eine Lehrerin, deren Methoden uns an eine Kaderschmiede östlicher Prägung erinnerten. Kaum hatten die Kinder die ersten Buchstaben gelernt, veranstaltete die Lehrerin Lesewettbewerbe. Jungen und Mädchen mussten nach vorne kommen und Wörter lesen. Und die, die schon vor Beginn der Schule lesen konnten, wurden mit Medaillen in Gold, Silber oder Bronze dekoriert.

Lesen für Olympia.

Der Kronprinz bekam Albträume, wachte nachts schreiend auf, malte Bilder von Hexen, die stark nach "Madame Lesewettbewerb" aussahen.


Die Hexen-Bilder habe ich nicht mehr gefunden. Die haben wir wohl alle verbrannt. Dafür zeige ich euch hier mein Lieblingslings-Werk des Prinzen.  "Marmelade im Kühlschrank" entstand, als er gerade vier war. 

Ich versuchte, ihm mit Üben zu helfen.

Klebte ein großes "L" an die Lllllllampe, ein "K" ans Kkkkkkklavier und ein "P" an den Pppppapa, dachte mir eine Buchstaben-Schnitzel-Jagd aus, versteckte "Wort-Schätze" im Garten und "Silben-Salat" im Heizungskeller.

Uta war zwar verzweifelt, aber auch ganz in ihrem Element.

Das Üben half jedoch nichts.

Der kleine Prinz, der schon im Alter von drei Jahren elegant den Konjunktiv einsetzte, wollte weder Lesen noch Schreiben lernen.

Nach nur zweieinhalb Monaten nahmen wir ihn von der Schule. In den alten Kindergarten konnte er aus Platzgründen nicht zurück, eine nahe gelegene Vorschule war auch voll. Mit Mühe fanden wir noch einmal einen Kindergartenplatz für unseren "Großen".

Das Schönste in dieser Zeit war der Moment, als wir beide seine Bilder von "Madame Lesewettbewerb" in den Feuerkorb auf der Terrasse steckten und sie verbrannten.

Danach ging es uns besser.

Ein Jahr später wurde er in der benachbarten Grundschule eingeschult und bekam eine mütterlich-liebevolle Lehrerin. Seit diesem Neustart ging er gerne zur Schule. Lesen, Schreiben, Rechnen war kein Problem mehr.

Und war dieser verpatzte Start Fluch oder Segen?

Heute sagen wir, dass es ein Segen war. Hätte er nicht diese Drill-Dame bekommen, hätten wir ihn nicht um ein Jahr zurück genommen. Dann hätte er sich weiter durchbeißen müssen und die Qual wäre mit hoch gewachsen bis zum Schulabschluss.
"In eigenen Untersuchungen zur Frage, ob Kinder mit fünf Jahren schon schulreif sind, haben wir in großer Breite festgestellt, dass die intellektuelle Reife oft schon da ist, nicht aber die soziale Reife, um im System Schule zu überleben",
schreibt Hans-Dietrich Raapke in seinem Buch "Montessori heute. Eine moderne Pädagogik für Familie, Kindergarten und Schule", Reinbek 2001. Damals habe ich mir dieses Buch gekauft, weil ich Maria Montessoris Erkenntnisse über die "sensiblen Phasen" der Entwicklung bei Kindern sehr erhellend fand.

Abgesehen davon, dass die wenigsten Menschen heute die soziale Reife im Blick haben, hat man als Eltern eines Fünfjährigen auch die Pubertät noch nicht auf dem Schirm, macht sich nicht klar, dass die vorzeitig Eingeschulten als Jugendliche früher in Berührung kommen mit Themen wie "Allein abends ausgehen", "Sexualität", "Alkohol" und "Rauchen", dass sie als die "Kleinen in der Klasse" unter besonderen Druck geraten können, sich bei diesen Themen als cool zu erweisen.

Da denkt doch kein Mensch dran, wenn er aus Moosgummi die Raketen für die Schultüte ausschneidet.

Es ist aber enorm wichtig.

Immer vorsichtig damit sein, Kinder früh einzuschulen. Wenn man einmal in dem System Schule steckt, kommt man schwer wieder raus und dann kann mein "immer fröhlich bleiben" harte Arbeit werden

Uta

Sonntag, 5. Januar 2014

Glückliche Familie Nr. 191: Vom Chillen ausruhen


Wenn Teenager freie Tage haben, dann chillen sie. Oder sie müssen sich ausruhen vom Chillen. Oder sie müssen sich ausruhen vom Ausruhen. Ferien sind auf jeden Fall eine anstrengende Angelegenheit.

Wenn ich sie frage, ob sie mal den Müll rausbringen könnten, sagen sie gerne: "Später, jetzt muss ich mich erst ausruhen?"

Ausruhen, wovon noch mal?

Gab es heimlich im Zimmer eine Schwerstarbeit?

Wenn das länger geht, kann die Stimmung richtig schlecht werden.

Der Soßenkönig hatte ein paar Tage frei und hat das jetzt mal intensiv miterlebt. Er fing an, ein paar pädagogische Projekte anzuschieben, erwähnte, man könnte schon mal anfangen, für die bevorstehende Mathe-Arbeit zu lernen, schlug Prinzessin (12) vor, mit ihr jeden Tag fünf neue Englisch-Vokabeln zu lernen, setzte eine Belohnung aus für Auto-Aussaugen, fragte Kronprinz (16) dreimal, ob er nicht endlich die Zeitungen austragen wolle, es würde schon bald dunkel.

Ich sah, dass die Soßenkönig-Laune immer schlechter wurde von der ganzen Chillerei um ihn herum. Schließlich muss er hart arbeiten für sein Geld und es fällt ja nicht alles vom Himmel.

Bei Kaffee und Rest-Keksen sagte ich ihm, dass ich das schon lange nicht mehr mache diese Antreiberei, das Peitscheschwingen, die Schallplatte mit dem Sprung, das Augenrollen und den Dauer-Mecker-Modus.

Es funktioniert nicht. Und ich bin mir zu schade dafür, mich mit so viel negativer Energie aufzuladen und die Motz-Kuh zu geben.

Was bei mir funktioniert, ist die Karten-Methode*.


Die Klemmen hat mir mein Vater mal auf ein schönes Brett geschraubt.

Ich schreibe jedem Kind drei Aufträge auf eine Karte, male Kästen dahinter zum Abhaken (das lieben sie) und setze eine Frist.

Ich reiche die Karten ins Zimmer und muss nicht einmal ein Wort sagen. Wahrscheinlich montiere ich die Klemmbretter demnächst an die Zimmertüren, mal Soßenkönig fragen.

Vorteile:

  • die Kinder können nicht sagen, sie hätten den Auftrag nicht gehört, sie haben es ja schriftlich
  • ich muss ihnen nicht ständig im Nacken sitzen und fühle mich freier für eigene Projekte und gute Zeit mit ihnen
  • sie können selber entscheiden, wann sie die Jobs erledigen

Ehrlich gesagt, mögen wir Erwachsenen es auch nicht, wenn uns jemand vorschreibt, wann wir etwas tun müssen. "Ich zähle bis drei, dann ist der Auftrag erledigt."

Wenn ein Chef uns so behandeln würde, fänden wir das unwürdig, oder?

Immer fröhlich Aufträge schreiben und sich selber einen schönen Tag machen

Eure Uta


* Ich schreibe natürlich nicht ständig Karten. Das würde sich abnutzen. Aber wenn die beiden sich zu sehr verhalten, als würden sie in einem Fünf-Sterne-Hotel leben, dann hole ich mal wieder meine Karten hervor. Vor allem in den Ferien oder an langen Wochenenden.