Montag, 30. Dezember 2013

Glückliche Familie Nr. 190: Inneres Leuchten


Am Samstag saß ich in der Morgendämmerung neben dem getunten Weihnachtsbaum und überlegte mir Vorsätze für 2014.

Aber statt zu gucken, womit ich aufhören muss oder was ich dringend tun sollte (denn das kommt alles von außen, schadet mir, halte ich sowieso nicht durch), kochte ich mir meinen Lieblingstee, zündete eine Kerze an und ließ in ihrem Licht einen Altsilber-Zapfen schimmern.
Ich atmete so tief ein und aus, dass es einen kleinen "Xaver" gab für die Flamme und sinnierte über folgende Fragen:
  • Was tut mir gut im neuen Jahr?
  • Was inspiriert mich?
  • Was ist es, was mich zum Leuchten bringt?
  • Wofür brenne ich? (Das ist mehr als 'Wozu habe ich gerade Lust?', das geht tiefer.)
  • Wofür strenge ich mich gerne an?
Als ich neulich bei meiner Schwester vor der Pinnwand in ihrer Küche stand, entdeckte ich einen Spruch, den ich ihr mal aus einer Zeitschrift ausgerissen hatte.

"Du sollst die werden, die du bist."

Das ist ein so schöner Gedanke, oder? Dass wir im Laufe unseres Lebens immer mehr die Person werden, die in uns angelegt ist. Und wenn wir diese Person dauerhaft ignorieren, kriegen wir "Burn-out". 
Nicht von der Menge an Arbeit oder Verantwortung, sondern davon, dass wir unsere Natur verleugnen.

Am Samstag konnte ich nicht mehr so richtig über meine Natur nachdenken, weil wir zu meinen Eltern fuhren und in Münster Station machten. Da gab es zunächst wenig, was mich zum Leuchten brachte. Die glückliche Familie saß in einer Tiefgarage in einer Parkhausschlange fest. Vor uns Autos, hinter uns Autos, überall dicke Luft. Am Prinzipalmarkt ließen wir uns an Schaufenstern vorbeischieben und bestellten Pommes und Wurst in einer Seitengasse. Der Soßenkönig bezahlte mit einem Schein und sagte: "Stimmt so." Der Wurstmann knallte Münzen auf den Tresen und blaffte: "Wir nehmen kein Trinkgeld." - "Sowas nennt sich Dienstleistungsmetropole", grummelte mein Mann und wir schoben weiter durch das Gedränge.


Münster, Prinzipal-Markt

Später zog ich alleine durch die Stadt, kaufte Socken, lauschte einem Pianisten auf dem Markt, suchte in der Lamberti-Kirche nach meiner Inspiration für 2014. Erschöpft ließ ich mich schließlich neben meinem Mann auf das Hotel-Bett sinken.
"Guck mal, der Artikel ist doch was für dich", meinte der Soßenkönig und schob mir sein iPad rüber.

Ich las diesen Artikel über die "Erziehung zum Elternsein" von einer Drehbuchautorin, die eine Ausbildung bei Jesper Juul absolviert hat. Und ich war einfach nur selig.

"Kennst du diese Ausbildung?", fragte mein Mann.

"Ja, davon habe ich schon gelesen." -

"Warum erkundigst du dich nicht mal danach?"-

"Ja, du sagst doch immer, dass ich mich noch zu-Tode-fortbilden werde und dass ich einfach loslegen soll mit dem Eltern-Coaching." -

"Ja, das stimmt. Aber so, wie sich das hier liest, steht dein Name quasi vorne drauf."

(Auch wenn er so ungeduldig werden kann in Parkhäusern und an Bratwursttresen - ist er nicht zum Küssen, dieser Mann?)

Manchmal zerbreche ich mir den Kopf über die Lampedusa-Flüchtlinge und den Weltfrieden und fühle mich so ohnmächtig. Jetzt weiß ich wieder, dass der Weltfrieden eine Nummer zu groß für mich ist. Der Frieden in Familien - das ist mein Ding, das ist das Gebiet, wo ich meinen Beitrag leisten kann, wofür ich mich gerne anstrenge, was mich zum Leuchten bringt.

Also ganz tief aus mir drin und aus dem Internet mein wichtigster Vorsatz für 2014: Ich mache mich schlau über die Juul-Fortbildung und - wenn alles passt - melde ich mich an.

Und ihr?

Werdet ihr 2014 wieder ein Stück mehr der Mensch, der ihr wirklich seid?

Wovon seid ihr beseelt?

An dieser Stelle möchte ich euch ganz herzlich dafür danken, dass ihr meinem Blog folgt, mir so viele anerkennende Kommentare schreibt, mir eure guten Wünsche schickt und mir aus eurem Leben erzählt  und immer wieder Anteil nehmt an meinem Leben mit Soßenkönig, Kronprinz (16) und Prinzessin (bald 13).

Ganz herzlichen Dank dafür!

Ich wünsche euch allen ein rauschendes Silvester-Fest und ein erfülltes Jahr 2014

Eure Uta 

Sonntag, 22. Dezember 2013

Glückliche Familie Nr. 189: Eis am Stiel und Baum-Tuning


Wir befinden uns in der letzten Phase der Weihnachtsvorbereitungen. Prinzessin (12) möchte noch ins Einkaufszentrum, um Geschenke zu besorgen, aber ich habe längst abgeschlossen mit dem Einkaufszentrum. "Du kannst ein Gedicht schreiben oder etwas basteln, aber ich setze keinen Fuß mehr ins Einkaufszentrum."

Jetzt ist die Phase der Gutscheine, der großen Versprechungen. "Frühstück ans Bett", "Einladung zum Döner-Mann", "Dreimal Rasenmähen im Sommer" ausgedruckt in Zapfino -Schrift.

Da können wir schon den Baum aufgestellt haben, die ersten Kirchenglocken läuten und es kommen noch so Fragen wie "Meinst du, Oma freut sich über eine Handcreme?"

Ich fürchte, das haben die Kinder von mir. Wenn es in letzter Minute nicht stressig wird, ist es kein Weihnachten.

Ich erinnere mich an eine Straußenvogel-Marionette, die ich als Kind meiner Schwester Nummer 3 gebastelt habe. Die Füße bestanden aus Joghurt-Bechern, Hals und Beine aus Wollkordel und der Körper aus einer Styropor-Kugel, die in einen Buttermilchbecher gedrückt und mit Federn gespickt wurde. Es war eine halbe Stunde vor der Christmette, als der Styropor-Popo aus dem Becher rutschte, davon kullerte und alle Federn verlor. Den Vogel ohne Unterleib und mir verband die Verzweiflung und sich endlos ziehende Uhu-Fäden.

Irgendwie habe ich es noch geschafft. Und wer Spaß an Klebstoff-Schnüffeln hat, wäre neben mir in der Kirche sehr glücklich geworden.

Das ist schöner Stress. Der andere aber, der kommt mir nicht ins Haus. Die Selbstvorwürfe, dass man wieder zu spät angefangen hat, dass man Weihnachten einfach nicht unter Kontrolle kriegt, zu blöd ist, sich frühzeitig um das Familienfoto für die Grußkarten, das perfekte Zimtparfait und die liebevollen Geschenkanhänger zu kümmern.

Jetzt ist die Phase, in der man Mut zur Lücke braucht.

Ich sage euch mal meine Lücken:
  • Der Saxophon-Lehrer hat diesmal keine Kekse und keine Karte bekommen.
  • Das Haus ist nicht wirklich weihnachts-fein. Seit der Flurrenovierung in der vergangenen Woche liegt fast überall noch ein feiner Staub vom Wändeabschleifen. Hier im Arbeiszimmer kann man mit dem Finger Weihnachtsmotive zeichnen auf dem Sideboard, dem Drucker-Deckel, der Fensterbank. Braucht jemand Vorlagen zum Runterladen oder ein Tütchen weißen Staub? Einfach nur einen Kommentar mit deinem Namen ...

Provisorische Flur-Garderobe, fotografiert durch den Spiegel, der noch schief hängt.

  • Wir waren gestern erst unterwegs, um einen Weihnachtsbaum zu schlagen. Der Schönste, den wir gefunden haben, braucht mehrere Ast-Transplantationen. Soßenkönig und Kronprinz (16)  haben jedes Jahr viel Spaß damit, Löcher in den Stamm zu bohren und Äste kunstvoll zu versetzen. Für das Baum-Tuning braucht man: Bohrmaschine, Sekundenkleber und eine klare Vorstellung von der Kegelform eines Weihnachtsbaumes.
  • An Heilig-Abend gibt es bei uns keine Ente, die ständig begossen, keinen Fisch, der auf den Punkt gegart werden muss. Bei uns hat das Büfett der Lieblingsspeisen Tradition. Jedes Familienmitglied darf sich zwei oder drei Speisen wünschen. Die Bedingung ist: Es muss etwas sein, das fertig gekauft oder mit wenig Aufwand vorbereitet werden kann. Meistens sind es: Kartoffel-Salat und Würstchen, Tim-Mälzer-Dessert mit Tiefkühl-Himbeeren (Soßenkönig), Eis am Stiel und Mini-Pizzen (Prinzessin), Kartoffel-Salat, Mini-Pizzen, Räucherlachs und Domino-Steine (Kronprinz) und Vitello-Tonnato, Anti-Pasti vom Griechen und Tiramisu (Uta). Nur den Kartoffelsalat machen der Soßenkönig und ich am Heilig-Abend morgens selber. Der Rest wird gekauft oder am Vortag gemacht und in der Küche auf Platten angerichtet, dazwischen Zapfen und weiße Kugeln ... (Kalorien: keine Ahnung, Nährwert: wahrscheinlich gering, stressfreie Freude: jede Menge)

Und ihr? Welche Ideen habt ihr, die alles leichter machen? Wo habt ihr Mut zur Lücke? Wo seid ihr herrlich unperfekt?

Unser Weihnachtsmotto lautet nicht nur "Let it snow", sondern  auch "Let it flow".

Immer fröhlich bleiben

Eure Uta

Sonntag, 15. Dezember 2013

Glückliche Familie Nr. 188: Vom Sein und Haben von Küchenwischlappen


Was ich gar nicht mag, ist das "für-diesen-Menschen-muss-ich-auch-noch-ein-Geschenk-haben"-Gefühl. Wenn das Herz nicht überläuft und ich nicht schenke aus einer inneren Fülle heraus, sondern weil es Erwartungen gibt.

Es ist ein schales Gefühl. Verloren streicht man durch das Einkaufszentrum und befragt die leblosen Dinge in den Regalen, ob sie eine Freude sein könnten für diese oder jene Person.

Heute morgen habe ich gemerkt, dass ich wieder so spät dran bin mit den Geschenken, dass ich der Phase mit den Verzweiflungskäufen bedrohlich nahe komme.

Ein kleines Heft mit Geschenkideen habe ich längst, aber ich werde die Listen jetzt nicht abarbeiten. So kann Weihnachten doch nicht sein, oder?

Neale Donald Walsch schreibt: "Leidenschaft ist die Liebe, das Sein in Handlung zu verwandeln." (Neale Donald Walsch: Gespräche mit Gott, Bd.1, S. 159)

So habe ich gestern nicht geguckt, was noch alles auf dem Zettel steht, sondern bin meinen Leidenschaften gefolgt. Und die führten mich in einen Laden, in dem es wunderbare Kugeln und Zapfen aus Bauernsilber gibt, wo es glänzt aus alten Weidenkörben, wo Perlmutt-Knopf-Nadeln in groben Leinenbändern schimmern und es gestrickte dänische Küchenwischlappen, ja Küchenwischlappen, in den schönsten Braun- und Grautönen gibt, so dass mir ein Seufzer nach dem anderen entfuhr.

Aus Erich Fromms "Haben oder Sein" wollte ich zitieren und mich mit euch zusammen abwenden vom vorweihnachtlichen Konsumrauschen. Und dann entdecke ich in meinem SEIN eine Freude an den Farbnuancen von gestrickten Wischlappen.

Das hat auch mit SEIN zu tun, auch wenn es an der Kasse zu einem HABEN wurde.

Das macht aber nichts.

Das zeigt nur, dass wir reich belohnt werden, wenn wir nicht auf Listen schielen und Ergebnissen nachjagen, sondern unseren Leidenschaften folgen und tun, was uns innerlich eingegeben wird.

Denn in dem Laden traf ich nicht nur meine Freundin und konnte mit ihr zusammen in Silberzapfen schwelgen, sondern fand auf einen Schlag vier Geschenke für meine Lieben aus der Liste.

Das Band und eine noch viel größere Kugel habe ich mir geschenkt. Die Wischlappen sind schon verpackt für jemand anderen. Jetzt beginnt im meinem Umfeld das große Zittern, wer zu Weihnachten wohl Wischlappen auspackt.

Immer fröhlich euer SEIN in Handlung verwandeln

Uta


PS: swwwdee4ee5555555555555555555555555555w2.  Schönen Gruß von unserer Katze Amy, zu deren SEIN es gehört, quer über die Tastatur zu laufen.

Montag, 9. Dezember 2013

Glückliche Familie Nr. 187: Sog der alten Elternrolle


Bei Familie Klatzenklo läuft ja ein Experiment mit Freiheit und Vertrauen. Viele Wochen hat es mich jetzt schon entlastet, dass ich Prinzessin (12) nicht mehr im Nacken sitze und sie antreibe, das iPad wegzulegen, Hausaufgaben zu machen, Vokabeln zu lernen "oder wenigstens mal an die frische Luft zu gehen".

Schulische Abstürze gab es nicht. Und doch hatte ich am Samstag eine Krise, eine Freiheits- und Vertrauenskrise.

Ich schreibe mal auf, welche Gedanken so in mir aufstiegen, als ich den Leucht-Stern, den ich vor Orkan "Xaver" in den Keller gerettet hatte, wieder in den Gartenhaus-Giebel hängen wollte. Die Gedanken wurden übrigens nicht besser, als ich den Nagel in der Fuge zwischen den Platten verlor, es anfing zu regnen, das Kabel sich im Lavendel verhedderte und nicht mehr bis zur Steckdose am Haus reichen wollte.

Also die Gedanken:
  • Prinzessin mag zwar jetzt noch in der Schule zurechtkommen, aber irgendwann werden ihr die Grundlagen fehlen und ich bin schuld, weil ich pädagogisch so weichgespült bin.
  • Bei vielen Kindern ist heute alles so passiv: ein You-Tube-Video nach dem anderen sehen, nur konsumieren, statt selber etwas zu machen, eigene Weihnachtsgeschichten zu schreiben, Fröbel-Sterne zu falten ...
Ja, wenn ich auf einer Leiter im abklingenden "Xaver" stehe und mit klammen Fingern an einem Stern herumfummele, können schlimme Werte-Debatten in mir toben. 
  • Kann ich es verantworten, dass Prinzessin schulisch nicht zeigt, was sie eigentlich drauf hat? Vertun wir wichtige Chancen? Liegt es vielleicht einfach daran, dass ich mal wieder zu konfliktscheu bin? 
  • Seit Beginn der neuen Freiheit stieg die Küsschen-für-Mama-Quote zwar exponentiell, aber zeigt das nicht bloß, dass ich mich damit zu dem Kumpel-Typ gemacht habe, den Experten wie Bernhard Bueb und Michael Winterhoff so verabscheuen?

Eine weichgeregnete Kumpel-Mama trat ins Haus, die Brille beschlug, die Leiter-Füße hinterließen ein Dreck-Graffiti an der Wand im Flur. 

Vergangene Woche hatte Prinzessin mich gefragt, ob wir zusammen Mathe üben könnten. Klar, sagte ich, ließ die diebische Freude über die Frage nicht so durchscheinen, blieb ganz cool. Ich spitzte Bleistifte, holte zwei Kilo Schmierpapier, stellte Nüsse auf den Tisch für die Synapsenölung.

Eine Stunde haben wir gerechnet. Und es lief immer besser. Weil die Mathe-Arbeit am nächsten Tag wegen sturmfrei ausfiel, frohlockte ich: Jetzt würden wir jede Menge Zeit haben, weiter zu üben. "Nur eine halbe Stunde jeden Tag und sie könnte es schaffen, eine richtig gute Note zu schreiben.

Uta hatte Lunte gerochen und geriet in den Sog der alten Elternrolle.

"Ich kann dir anbieten, dass wir heute wieder eine halbe Stunde Mathe üben", sagte ich am Freitag.

"Gut, können wir machen", sagte Prinzessin und machte sich einen schönen Freitag.

"Ich kann dir anbieten, dass wir am Wochenende zusammen für die Arbeiten nächste Woche lernen. Du musst einfach nur auf mich zukommen", sagte ich am Samstag.

"Gut, können wir machen", sagte Prinzessin und machte sich einen schönen Samstag.

Voller Frust, dass die neue Freiheit vielleicht doch nicht funktioniert, bin ich dann lieber gegangen, um den Stern aufzuhängen. Siehe oben.


Jetzt leuchtet er wieder.

Erst am Sonntagmorgen kam ich wieder zur Besinnung. In Jesper Juuls Pubertäts-Buch las ich, was der Däne zu den Kämpfen sagt, die so viele Eltern fechten wegen der Schule und der Medien. Er beschreibt, wie wir uns abstrampeln, um unsere Kinder zu unterstützen. Und wie wir, die Eltern und die Kinder, dabei einander verfehlen.

"Man fühlt sich als Eltern nicht wertvoll, ist aber auch nicht wertvoll, und als Kind fühlt man sich auch irgendwie falsch oder alleine." (Jesper Juul: Pubertät. Wenn Erziehen nicht mehr geht, München 2010, S. 178)


Jetzt fühlte ich mich wieder wertvoll und sagte zu Prinzessin
  • dass er wieder in mir angesprungen sei, dieser Ehrgeiz, den ich als Schülerin hatte, immer und überall überdurchschnittlich zu sein
  • dass ich endlich kapiert habe, dass sie anders ist als ich und dass das seelisch auch viel gesünder sei
  • dass ich verstehe, dass sie die Wochenenden wirklich frei haben wolle
  • dass ich als Mutter aber zur Verfügung stehen würde, wenn sie meine Unterstützung möchte

Wir waren beide ganz erleichtert.

Immer fröhlich forschen, was eigene Erwartungen sind und was der andere wirklich braucht

Eure Uta

Samstag, 7. Dezember 2013

Glückliche Familie Nr. 186: Familiärer Führungskräftemangel


Glückliche Familie Nr. 186 findet heute auf Sonjas Blog "Wert-voll" statt. Sonja feiert Blog-Geburtstag und hat mich eingeladen, einen Gastbeitrag zu schreiben.

"Wert-voll" - ist das nicht ein toller Name?

Sonjas Blog war einer der ersten, dem ich folgte, als ich mit dem Bloggen begann. Sie ist ausgebildeter Coach und schreibt darüber, wie sie ihr berufliches Wissen in ihrem Leben mit zwei kleinen Kindern umsetzen kann. Self-Coaching also.

Ich gratuliere ganz herzlich zu vier Jahren "Wert-voll" und wünsche weiterhin viel Freude beim Bloggen.

Hier geht es zum "Familiären Führungskräftemangel".

Immer fröhlich bei Sonja vorbeischauen

Eure Uta

Dienstag, 3. Dezember 2013

Glückliche Familie Nr. 185: Welche Schule für mein Kind?


Als ich beim Nikolaus-Markt in unserem Gymnasium die vielen Eltern sah, die sich die Schule anguckten, weil sie ihr Kind im Januar vielleicht dort anmelden möchten, beschloss ich, etwas über Schul-Wahl zu schreiben.

Wie entscheide ich mich für die richtige Schule für mein Kind?

Jetzt merke ich, dass das eine große Frage ist. Da kann einen in diesen Tagen ganz schön der Nikolaus-Stiefel drücken.

Wegen eines Wechsels haben wir uns schon sechsmal für oder gegen eine Schule entscheiden müssen. Das sollte mir eine gewisse Kompetenz in dieser Frage geben.

Aber ich bemühe erst einmal die Wissenschaft. Die Hettie-Studie* ist ja in aller Munde. Der Neuseeländer John Hettie hat in 15jähriger Fleißarbeit tausende internationale Studien** ausgewertet, die sich unter verschiedenen Aspekten mit der Frage befassen: Was sind die entscheidenden Faktoren für den Lernerfolg?

Das Ergebnis: Der entscheidende Faktor ist der Lehrer. Der Lehrer und nochmals der Lehrer. Seine fachliche Kompetenz, seine Persönlichkeit. Dann kommt lange nichts.

Der Meta-Studie zufolge spielen so gut wie keine Rolle
  • die Klassengröße
  • die Art der Schule, ob privat oder staatlich
  • die finanzielle Ausstattung der Schule
  • ob man jahrgangsübergreifend lernt oder nicht
  • ob es offenen Unterricht (im Gegensatz zur klassischen Frontal-Methode) gibt oder nicht

Hetties Forschungen haben gezeigt, dass die Leistungs-Unterschiede zwischen zwei Parallelklassen ein und derselben Schule größer sein können (bis zu einer Klassenstufe) als zwischen gleichaltrigen Schülern verschiedener Schulen. Der einzelne Lehrer ist also entscheidend, nicht die Schule. 

Und was macht laut Hettie den guten Lehrer aus? 
  • stringente Klassenführung
  • Mischung aus Strenge und Humor
  • Klarheit (dass die Schüler verstehen, was er oder sie von ihnen in der Stunde erwartet)
  • breites Repertoire an Unterrichtsstilen (sowohl frontalen als auch offenen Unterricht beherrschen) 
  • kleine Tests zwischendurch, um prüfen zu können, ob die Methoden bei den Schülern greifen
  • sich und seine Arbeit selber in Frage stellen können; den Unterricht aus der Sicht des Schülers reflektieren können
  • ausbleibende Lernerfolge zunächst sich selber zuschreiben, nicht dem Schüler, dem Elternhaus, dem Medienkonsum ...
  • Schüler systematisch rückmelden lassen, ob sie den Stoff verstehen, sich konzentrieren können ... 
  • Warmherzigkeit; am einzelnen Kind und seiner Weiterentwicklung interessiert sein
  • Begeisterung fürs Fach

Aber wie finden wir als Eltern solche Lehrer für unser Kind?

Wir können uns ja nur die Schule aussuchen. Und selbst wenn wir wissen sollten, dass ein guter Lehrer eine neue erste oder fünfte Klasse übernimmt, wird kein Schulleiter bereit sein, uns zu garantieren, dass unser Kind genau in diese Klasse kommt. 

Jetzt starre ich schon eine ganze Weile auf das Zicklein, das im Moos neben der Adventskerze No. 1 weidet, und weiß nicht, welchen Rat ich euch geben soll.




Immer fröhlich alle Tage der offenen Tür an den Schulen ignorieren und beim Bleigießen an Sylvester eine Entscheidung treffen?

Jenseits von Hettie und seinen Auswertungen fallen mir als Mutter noch mehr Faktoren ein:
  • besonders für Grundschüler ist es gut, wenn die Schule so nah ist, dass sie hinlaufen können (gibt es wenig Verkehr, wenig Straßen, die zu überqueren sind, wunderbare Pfützen, in die man hineinspringen kann, Sträucher mit Knallerbsen, Mauern zum Balancieren ...?)
  • auch Jugendliche sollten (wenn man denn die Wahl hat) nicht stundenlang mit Bus oder Bahnen fahren müssen. In der heute fast überall verdichteten Schulzeit bis zu den Abschlüssen ist die Freizeit so knapp, dass sie nicht auf der Strecke bleiben sollte.
  • Was höre ich über die Atmosphäre im Kollegium? Ist der Krankenstand hoch? Finden gute Lehrer auch gute Bedingungen vor oder werden sie zurechtgestutzt?
  • Hängt in den Fluren Kinder-Kunst oder sieht man Null-acht-fünfzehn-Schablonen-Werke?

Der Hirnforscher Manfred Spitzer sagte mal in einem Vortrag, dass es kein Bauchgefühl gebe. In der Körpermitte sei weder ein emotionales Schaltzentrum noch eine einzige Hirnzelle zu finden. Und doch wissen wir alle, was gemeint ist, wenn wir von "Bauchgefühl" sprechen.

Und auf dieses sollten wir hören, wenn wir eine Schule für unser Kind suchen. Wir sollten uns nicht blenden lassen von Hochglanzflyern, von klangvollen Sprach-Angeboten, hochgerüsteten Computer-Räumen oder Hüpfburgen an Tagen der offenen Türen, sondern mit den Menschen reden, die dort arbeiten, die Atmosphäre schnuppern und auf unser Bauchgefühl achten.

Lasst euch wegen einer Schulentscheidung nicht verrückt machen und trefft fröhlich eine Wahl, die man - wie ich euch das nächste Mal erzählen werde - auch wieder ändern kann

Uta

* Meinen Informationen über die Hettie-Studie liegt der Artikel "Ich bin superwichtig! Kleine Klassen bringen nichts, offener Unterricht auch nicht. Entscheidend ist: Der Lehrer, die Lehrerin ..." von Martin Spiewak auf ZEIT-online zugrunde.

**ausschließlich englischsprachige Studien; nicht alles lässt sich eins zu eins auf das deutsche Schulsystem übertragen