Sonntag, 20. Oktober 2013

Glückliche Familie Nr. 176: Die Trotz-Mama


Als die Kinder klein waren, besuchten wir für mehrere Tage die Schwiegereltern in Süddeutschland. Ich erinnere mich, dass wir einen Ausflug machen wollten und der kleine Kronprinz (ca. 4) sich selber angezogen hatte. Bunt wie ein Papagei stiefelte er die Treppe hinunter. Die Jacke schief geknöpft, die Strümpfe ungleich. Dazwischen die geringelte Schlabberhose, die zu seinem Schlafanzug gehörte.

Schwiegermutter sagte, er solle sich was Richtiges anziehen.
Mama bestand darauf, dass der Junge so mit zum Ausflug dürfe.

Mit einigen Jahren Abstand betrachtet, ging es weniger um Kronprinz als um mich.
Darum, im Recht zu sein und zu opponieren gegen weit verbreitete Ansichten der Elterngeneration.

Wenn wir bei den Schwiegereltern oder bei meinen Eltern waren, habe ich Sätze gedacht wie:

"Ihr Nachkriegs-Eltern respektiert nicht die Individualität des Kindes."

"Ihr, in eurer Generation, habt uns als Kinder nicht immer gesehen in unserer Einzigartigkeit."

"Das wird uns mit unseren Kindern nicht passieren."

"Bei uns werden Wurzeln erkuschelt und in aller Freiheit bunte Flügel entfaltet."

"Wir sind nicht fixiert auf Oberflächliches wie Aussehen und Ordnung. Bei uns zählen die inneren Werte."

"Und anders als ihr, die ihr ständig grübelt, was die Nachbarn oder die Verwandten von euch halten, pfeifen wir darauf, ob wir mit unseren Kindern einen guten Eindruck machen oder nicht."

(Ich hatte gut reden. Was die Leute in meiner Heimatstadt oder in einem schwäbischen Dorf von mir hielten, war mir egal. In Hamburg wäre ich auch nicht so gaaaaanz frei davon gewesen.)

Die Situation mit Kronprinz und seinem modischen Freestyle kam mir in den Sinn, als ich bei Rogge und Bartram Folgendes las:

"...mancher Vater, manche Mutter haben sich ... im Laufe ihrer Biografie geschworen, die Fehler, denen sie in der Kindheit und Jugend ausgesetzt waren, nicht zu wiederholen und jene Defizite, die sie einst erlebt haben, am Kind wiedergutzumachen. Wer die elterlichen Erziehungsstile pauschal ablehnt, der begibt sich jedoch in eine Sackgasse."

Ja, aus Prinzip immer das Gegenteil zu machen, funktioniert nicht. Meine Trotz-Mama-Phasen haben mich viel Energie gekostet.

Es genauso zu machen, wie die Generation davor, funktioniert auch nicht. Das ist die andere Sackgasse.

Was eher weiter hilft, ist, die eigene Biografie differenziert zu betrachten, sich zusammen mit dem Vater der Kinder hinzusetzen und zu gucken:

  • Was hat ihm, was hat mir früher nicht gefallen? Und welche Erziehungsstile möchten wir bei unseren Kindern vermeiden?
  • Was hat ihm, was hat mir früher Halt gegeben? Und was möchten wir unseren Kindern weitergeben?


"Wer ein Kind hat, der hat es immer mit zwei Kindern zu tun:
 dem Kind, das vor einem steht,
und jenem Kind, das man selbst war ..." (Rogge, Bartram).
Hier das Kind, das ich war.




Mögt ihr mir schreiben, was ihr euren Kindern von euren Eltern weitergeben möchtet?
Bei mir sind es so Dinge wie Zusammenhalt, Geborgenheit, schöne Feste, Begeisterung für Natur und Kunst ...

Immer differenziert und fröhlich die eigene Biografie betrachten

Uta