Sonntag, 21. April 2013

Glückliche Familie Nr. 139: Naives Herzchen?


Ich habe einen kleinen Gedichtband, der im Handel nicht mehr erhältlich ist und bei "ebay" inzwischen gebraucht für fast 80 € gehandelt wird. Weil ich euch gerne an der Freude teilhaben lassen wollte, die mir diese Gedichte immer wieder schenken, fragte ich die Dichterin per Mail, ob ich gegen Schutzgebühr ein paar Zeilen von ihr auf mein Blog stellen dürfte.

Ich erhielt eine Absage.

Sie schrieb, sie werde so häufig im Internet ihrer Worte beraubt, dass sie es auf keinen Fall erlauben werde. Sie lebe von ihren Gedichten und sei darauf angewiesen, dass sie ihr Eigentum blieben. Ich könnte sie bei ihr auf Grußkarten erwerben.

Ich verstehe das und es tut mir leid, dass jemand, der so schön dichten kann, sich mit Unterlassungsklagen herumschlagen muss.

Den kleinen Band mit dem marmorierten Buchdeckel, den ich schon zum Fotografieren in Pose gelegt hatte, schob ich zurück ins Regal. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt.

In dem Coaching-Seminar*, das ich besucht habe, unterscheiden die Trainer zwischen zwei grundlegenden Ausrichtungen.



Angst, Mangel, Misstrauen    -    Liebe, Fülle, Vertrauen


Wenn es mir mal nicht gut geht, ich mich unsicher fühle oder ängstlich, hilft mir diese Unterscheidung sehr. 

Uta, hallo? Aufwachen! In welcher Abteilung wollten wir unterwegs sein? 

Natürlich in der Abteilung "Vertrauen". 

Weil ich so ein naives Herzchen bin? 

Nein. 

Ganz schlicht, weil es besser funktioniert, weil ich Erfahrungen mache, die ich verpasst hätte, wenn ich mich in der Angst-Abteilung eingekapselt hätte, weil Mangel-Denken mich austrocknet, Misstrauen einsam macht. 

Vielleicht würden die Gedicht-Bände von Frau W. neu aufgelegt, wenn sie in der Blog-Welt neuen Zuspruch fänden, vielleicht würde die positive Resonanz so weit den Missbrauch übertreffen, dass sie wegen der vielen neuen Aufträge gar keine Zeit mehr hätte für Termine beim Anwalt. 

Je mehr Erfolg jemand hat, desto größer ist auch das Risiko des Missbrauchs.

Aber deshalb auf Erfolg verzichten? 

Kronprinz (15) hat sich in den vergangenen Wochen zum Graffiti-Künstler entwickelt. Er sprüht seine Bilder auf alte Spanplatten, die wir noch im Keller hatten.
"Das reicht mir nicht mehr", sagte er vor zwei Wochen. "Ich möchte, dass Leute sehen, was ich mache." 
Er stellte ein Brett bei uns in der Straße an die Bushaltestelle. Dort lehnte es zwei Tage an der Rückwand des Wartehäuschens. Dann war es plötzlich weg. 

Eine Pappe mit einem anderen Motiv klebte er mit leicht löslichen Klebestreifen an einen Stromkasten. Ein Woche lang musste ich lächeln, wenn ich mit dem Auto daran vorbei fuhr. Dann lag es zerrissen im Sand.

Sein Bild des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un sprühte er auf Pappe und befestigte es an seinem alten kaputten Fahrrad. Das Fahrrad schob er an die nächste S-Bahn-Haltestelle und schloss es für alle Reisenden gut sichtbar an ein Geländer.
Knapp eine Woche hat es gehalten. Dann lag auch "Kim" in Stücken auf dem Gehweg.


Graffiti-Farben mit Schablonen-Technik auf Pappe, Kronprinz.

Der Kronprinz aber hat schon die nächsten Werke in Arbeit.

Immer schön fröhlich sich verschenken, lieben, vertrauen, Fülle genießen

Uta

*CoachingAcademie Bielefeld