Mittwoch, 27. Februar 2013

Glückliche Familie Nr. 125: Mamas Mission Hafencity


Gestern war ich beim Zollamt in der Koreastraße, um ein Kamera-Objektiv abzuholen, das Kronprinz (15) bei ebay bestellt hatte. Die Koreastraße erreicht man, wenn man in der Hamburger Hafencity in die Shanghaiallee einbiegt und dann wieder rechts. Das Objektiv war aus Hong Kong gekommen. Und ich hatte das Gefühl, ich sollte mandeläugig auf einer Rikscha dorthin radeln. Oder benutzt man die in Hong Kong nicht?





Im Zollamt aber war es sehr deutsch. Ich musste eine Nummer ziehen und im Warteraum Platz nehmen. Als ich aufgerufen wurde, kam eine junge Frau an den Schalter, die unser zerknittertes Päckchen mit schwarzen Baumwollhandschuhen trug.

Wegen der Spurensicherung? Oder machte sie gerade eine Aloe-Vera-Kur für ihre kältegeschundenen Hände?

Es war rätselhaft.

"Wollen Sie das Päckchen öffnen und hineinschauen?"

Ich wollte öffnen. Sie reichte mir ein Teppichmesser. Ich schlitzte die Klebestreifen auf und mich durchfuhr der Gedanke, dass jetzt überall meine Fingerabdrücke sind: auf dem Päckchen, dem Teppichmesser, dem Tresen.

Eine abgewetzte Schachtel in Objektiv-Größe kam zum Vorschein.

"Ich muss das genauer untersuchen", sagte die Handschuh-Frau und verschwand mit der Schachtel im Hinterzimmer.

Blicke durchbohrten meinen Rücken. Was sie wohl dachten, die anderen auf den grauen Stühlen?
Sieht aus wie Hausfrau, macht aber auf Import-Export.

In einer Hundertstelsekunde hatte ich Hinterausgänge, Feuerleitern und verdeckte Zollermittler auf dem Schirm. Von wegen Lotusblüte mandeläugig. Ich war jetzt die rechte Hand von Jason Bourne. Wenn mir in diesem Moment jemand den Arm auf den Rücken drehen und den schönen Kopf auf den Tresen knallen wollte, weil man im Hinterzimmer Kokain-Briefchen zwischen den fernöstlichen Linsen gefunden hat, würde ich mit Jason in der Rikscha durch den Elbtunnel fliehen.

Dachte ich halt, als ich da so stand.

Ein osteuropäisches Pärchen kaute synchron Kaugummi am Fenster. Ein Mann kniete auf dem Boden und sammelte nervös die Styropor-Chips auf, die aus seinem Paket gewirbelt waren.

"Nummer 54". Die Zollbeamtin trat wieder an den Tresen. Immer noch in Handschuhen, aber ohne Päckchen. "Frau A.", sagte sie (das ist mein Name im bürgerlichen Leben), "Frau A., wir müssen das Kamera-Objektiv beschlagnahmen, weil es sich um einen Fall von Produktpiraterie handeln kann. Wir werden sie anschreiben, wenn der Fall geklärt ist."

Wie jetzt? Ich hatte entweder damit gerechnet, dass das Päckchen an mich ausgeliefert würde oder  ich an die Zollfahndung.

Aber so gar nichts?

Ich war völlig umsonst gekommen, ging ohne Hong-Kong-Objektiv und ohne Abenteuer wieder durch die Glastür und bekam vom Pförtner einen Chip für die Parkschranke. (Chip? Die Schranke wird weg splittern, wenn ich da durchrase, guter Mann.)
Von der Korea-Straße bog ich in die Shanghaiallee, erreichte irgendwann unsere Gegend, wo die Straßen "Püttkampsweg" oder "Krautstücken" heißen, war wieder eine Frau aus den Vororten, eine Frau mit Kindern, Katzen, Terminen bei Kieferorthopäden ...

Mit Kronprinz habe ich vereinbart, dass wir nicht mehr in Fernost bestellen.

Und ich hatte vorher folgenden Handel mit ihm geschlossen: Ich hole die Hong-Kong-Sendung nur ab, wenn er am Vorabend bis 23 Uhr sein Zimmer komplett ausgemistet und aufgeräumt hat.

Das ist keine Erpressung, das ist ein Deal, weil er die Wahl hatte: Mamas Mission Hafencity oder Mama verweigert schriftlich die Annahme der Sendung.

Mit der Drei-Kisten-Methode von Fräulein Ordnung hat es geklappt. So schön sah sein Zimmer seit Monaten nicht mehr aus.

Mal überlegen, welchen Handel ich mir ausdenke, wenn wir das Päckchen doch eines Tages abholen dürfen.

Immer fröhlich in der EU bestellen

Uta