Mittwoch, 27. Februar 2013

Glückliche Familie Nr. 125: Mamas Mission Hafencity


Gestern war ich beim Zollamt in der Koreastraße, um ein Kamera-Objektiv abzuholen, das Kronprinz (15) bei ebay bestellt hatte. Die Koreastraße erreicht man, wenn man in der Hamburger Hafencity in die Shanghaiallee einbiegt und dann wieder rechts. Das Objektiv war aus Hong Kong gekommen. Und ich hatte das Gefühl, ich sollte mandeläugig auf einer Rikscha dorthin radeln. Oder benutzt man die in Hong Kong nicht?





Im Zollamt aber war es sehr deutsch. Ich musste eine Nummer ziehen und im Warteraum Platz nehmen. Als ich aufgerufen wurde, kam eine junge Frau an den Schalter, die unser zerknittertes Päckchen mit schwarzen Baumwollhandschuhen trug.

Wegen der Spurensicherung? Oder machte sie gerade eine Aloe-Vera-Kur für ihre kältegeschundenen Hände?

Es war rätselhaft.

"Wollen Sie das Päckchen öffnen und hineinschauen?"

Ich wollte öffnen. Sie reichte mir ein Teppichmesser. Ich schlitzte die Klebestreifen auf und mich durchfuhr der Gedanke, dass jetzt überall meine Fingerabdrücke sind: auf dem Päckchen, dem Teppichmesser, dem Tresen.

Eine abgewetzte Schachtel in Objektiv-Größe kam zum Vorschein.

"Ich muss das genauer untersuchen", sagte die Handschuh-Frau und verschwand mit der Schachtel im Hinterzimmer.

Blicke durchbohrten meinen Rücken. Was sie wohl dachten, die anderen auf den grauen Stühlen?
Sieht aus wie Hausfrau, macht aber auf Import-Export.

In einer Hundertstelsekunde hatte ich Hinterausgänge, Feuerleitern und verdeckte Zollermittler auf dem Schirm. Von wegen Lotusblüte mandeläugig. Ich war jetzt die rechte Hand von Jason Bourne. Wenn mir in diesem Moment jemand den Arm auf den Rücken drehen und den schönen Kopf auf den Tresen knallen wollte, weil man im Hinterzimmer Kokain-Briefchen zwischen den fernöstlichen Linsen gefunden hat, würde ich mit Jason in der Rikscha durch den Elbtunnel fliehen.

Dachte ich halt, als ich da so stand.

Ein osteuropäisches Pärchen kaute synchron Kaugummi am Fenster. Ein Mann kniete auf dem Boden und sammelte nervös die Styropor-Chips auf, die aus seinem Paket gewirbelt waren.

"Nummer 54". Die Zollbeamtin trat wieder an den Tresen. Immer noch in Handschuhen, aber ohne Päckchen. "Frau A.", sagte sie (das ist mein Name im bürgerlichen Leben), "Frau A., wir müssen das Kamera-Objektiv beschlagnahmen, weil es sich um einen Fall von Produktpiraterie handeln kann. Wir werden sie anschreiben, wenn der Fall geklärt ist."

Wie jetzt? Ich hatte entweder damit gerechnet, dass das Päckchen an mich ausgeliefert würde oder  ich an die Zollfahndung.

Aber so gar nichts?

Ich war völlig umsonst gekommen, ging ohne Hong-Kong-Objektiv und ohne Abenteuer wieder durch die Glastür und bekam vom Pförtner einen Chip für die Parkschranke. (Chip? Die Schranke wird weg splittern, wenn ich da durchrase, guter Mann.)
Von der Korea-Straße bog ich in die Shanghaiallee, erreichte irgendwann unsere Gegend, wo die Straßen "Püttkampsweg" oder "Krautstücken" heißen, war wieder eine Frau aus den Vororten, eine Frau mit Kindern, Katzen, Terminen bei Kieferorthopäden ...

Mit Kronprinz habe ich vereinbart, dass wir nicht mehr in Fernost bestellen.

Und ich hatte vorher folgenden Handel mit ihm geschlossen: Ich hole die Hong-Kong-Sendung nur ab, wenn er am Vorabend bis 23 Uhr sein Zimmer komplett ausgemistet und aufgeräumt hat.

Das ist keine Erpressung, das ist ein Deal, weil er die Wahl hatte: Mamas Mission Hafencity oder Mama verweigert schriftlich die Annahme der Sendung.

Mit der Drei-Kisten-Methode von Fräulein Ordnung hat es geklappt. So schön sah sein Zimmer seit Monaten nicht mehr aus.

Mal überlegen, welchen Handel ich mir ausdenke, wenn wir das Päckchen doch eines Tages abholen dürfen.

Immer fröhlich in der EU bestellen

Uta

Freitag, 22. Februar 2013

Glückliche Familie Nr. 124: Fasten light


Wir sprachen neulich beim Abendbrot über das Fasten.

Uta: "Es gibt ja Leute, die machen sieben Wochen ohne Süßigkeiten oder ohne Alkohol ..."

Kronprinz (15): "Oh, Gott, nicht das wieder ..."

Uta: "Ich meine ja nur, wir könnten doch auch ..."

Prinzessin (12) zur mir: "Du könntest ja auf Alkohol verzichten und auf Fernsehen."

Uta: "Iiiiiiich?"

Betretenes Schweigen.

Uta (räuspert sich): "Ich wäre bereit zu sieben Wochen ohne .... bügeln."

Ich fand mich witzig.

Die anderen nicht.

Nach diesem Gespräch habe ich am anderen Morgen dieses Bonbon-Glas aufgestellt.




Gemeint ist, dass man sich eine Süßigkeit am Tag nehmen darf.

Nicht in der Minute, Prinzessin!

Das ist Fasten light.

Mehr schaffen wir nicht.

Auch wenn das nach einer Luschi-Aktion aussieht, kennt ihr mich inzwischen gut genug um zu ahnen, dass sich dahinter eine pädagogische Mission ungeahnter Bedeutung verbirgt.

In den 60er Jahren hat der Psychologe Walter Mischel mehrere Versuche zum Thema "aufgeschobene Bedürfnisbefriedigung" gemacht. Er bot Vierjährigen einen Teller mit zwei Marshmallows an. Beim Hinausgehen sagte er, jeder dürfe jetzt einen essen. Wer aber mit dem ersten Bissen bis zu seiner Rückkehr warten könnte, würde sogar beide bekommen.

Mischel beobachtete die Entwicklung dieser Vierjährigen über Jahre und fand heraus, dass die Kinder, die ihr Bedürfnis damals hatten aufschieben können, sehr leistungsstark in der Schule waren. Und als 27jährige waren sie in der Regel erfolgreicher, umgänglicher und weniger anfällig für Drogenprobleme als die spontanen Marshmallow-Vernichter.

Seither weiß man:

Die Fähigkeit, Frust zu bewältigen und Bedürfnisse auf einen späteren Zeitpunkt aufzuschieben, ist wichtiger für das Erreichen von Zielen als Intelligenz. 
( nach Alan Posener: "Charakter ist Schicksal", Essay, Seite 2, in Die Welt, 29.1.2013)

Meine Eltern werden sich freuen, das zu lesen. Neulich stand bei ihnen in der Zeitung ein Leserbrief einer Bekannten, die mit einem ausgeliehenen Kind ein Kindertheater besucht hatte. Die Frau empörte sich darüber, dass man kaum ein Wort von dem Theaterstück verstanden hätte, weil alle mit Kekspackungen und Bonbontüten raschelten.

Ich erinnere mich, dass ich einst mit Kronprinz eine Krabbelgruppe besuchte und mich generalstabsmäßig darauf vorbereiten musste, um nicht als einzige Mutter ohne Muffins, Buchstabenkekse, Flasche mit Flaschenwärmer, Apfelbrei und Roibuschtee in Thermoskanne auf dem Boden zu hocken.

Wenn man über die Versuche von Walter Mischel liest, tut man seinen Kindern sogar einen Gefallen, wenn man die Kekse und die Flasche mal zu Hause vergisst und nicht bei jedem Bäcker ein Brötchen in den Buggy reicht (obwohl ... dann ist erst mal Ruhe).

Und ich hatte mir überlegt, neben dem Bonbonglas in meiner Küche eine Liste aufzuhängen. Wer es geschafft hat, am Tag wirklich nur eine Süßigkeit zu nehmen, dürfte dort einen Strich machen und bekäme an Ostern die doppelte Menge an Süßigkeiten wie er oder sie Striche gesammelt hat.
Dann könnte ich, so meine Überlegung, nicht nur das Befriedigungsaufschubpotential meiner Kinder testen, sondern es auch noch ein wenig trainieren.


Wer nur eins nimmt, darf Ostern doppelt so viel naschen. 

Bis hierher hatte ich gestern geschrieben und heute wird mir klar, wie anstrengend meine pädagogischen Missionen sein können. Und ich hatte noch einmal nachgelesen bei Mischel, Juul und den anderen.

Die entscheidende Frage ist doch: Warum waren einige der Vierjährigen in der Lage, auf den Marshmellow-Genuss zu warten und andere nicht?

Es lag nicht daran, dass sie keine Mutter hatten, die in der Fastenzeit einen Süßigkeiten-Listen-Drill durchführte (ich habe die Liste weggeworfen).

Es lag daran, dass sie gestresst waren durch Umstände wie Armut, große Konflikte in der Familie und Gewalt.

Diese Kinder haben mit so vielem zu kämpfen, dass sie nicht die Kraft haben, ein Bedürfnis aufzuschieben. Das gilt übrigens auch für die, die materiell alles haben, aber keine verlässlichen Beziehungen.

Wir können trotzdem fröhlich bleiben. Der Stress schlägt sich zwar im Gehirn nieder. Die Experten sagen aber, das sei bis ins frühe Erwachsenenalter reparabel durch Liebe und Fürsorge von Eltern und anderen Bezugspersonen.

Also immer schön fröhlich bügel-fasten und sich mit Freude um Kinder kümmern

Uta

PS: Die beiden Aufräum-Labels haben gewonnen
Das Katzenklo-Label geht an Lebemaja (es wollten alle das Aufräum-Label und nur Lebemaja das Katzenklo-Schild. Jetzt habe ich sogar welche über. Ich werde sie bei Nachbarn dran hängen. Mal gucken, ob es wirkt.)

Den Gewinnerinnen herzlichen Glückwunsch!

Schreibt ihr mir bitte eine Mail (unter "Schreib mir" rechts in der Spalte meines Blogs) mit eurer Adresse?! Dann kann ich die Labels los schicken.

Montag, 18. Februar 2013

Glückliche Familie Nr. 123: Verlosung von Aufräum-Labels


Fräulein Etepetete hat mir zu meiner Aufräumidee mit den Türschildern wunderschöne Filz-Labels geschickt.

Das schreit nach einer Verlosung.

Hier noch einmal der Post mit der Idee:

Wie schade ist es eigentlich, dass sich Millionen Eltern über die unaufgeräumten Zimmer ihrer Kinder ärgern. Klamme Sockenknubbel auf dem Teppich, Kaugummi-Papier zwischen Schulheften, unfertige Puzzles (kauft niemals ein 1000-Teile-Puzzle), winzige Lego-Glasbausteine, die sich schmerzhaft in Mutters nackten Fuß prägen. Es ist nicht so, dass mir ein solches Chaos fremd wäre (nein, ich richte jetzt keine Webcam in die Zimmer meiner Kinder, sie würde beschlagen von der schlechten Luft darin, und in dem Wirrwarr der Objekte wüsste der Autofokus nicht, worauf er scharf stellen sollte.) 
Ich mache innerlich immer das, was ich den Sterbebett-Test nenne: „Ist diese Sache so wichtig, dass ich mich in meinem letzten Stündchen damit befassen werde? Werde ich daliegen und hauchen 'Verzeiht mir, dass ich Euch das Sortieren der Wäsche nicht beigebracht habe. “ Wohl kaum. Also weg mit dem Ärger. 
Was verschwenden wir soviel Energie auf das leidige Thema „Aufräumen“? Schluss damit. Ich betrete die Zimmer meiner Kinder nur noch zum Kuscheln, Vorlesen, Rückenkratzen, Kissenschlachten, Tanzen oder zum gemeinsamen Spaßrenovieren. Und wer möchte, dass einmal pro Woche darin sauber gemacht wird, muss vorher aufräumen, sonst kommt ein Polizeisperrband davor und Mutter zeigt sich unbeeindruckt davon, wenn sich immer längere Spinnfäden von der Schreibtischlampe zum Bücherregal ziehen und die Wollmäuse unterm Bett zu fetten Fusselratten werden. 
In der Kommunikation mit meinen Kindern haben sich Türklinkenschilder bewährt, wie man sie aus Hotels kennt. Am Tag bevor die Frau kommt, die uns einmal pro Woche beim Saubermachen hilft, hänge ich die Aufforderung zum Aufräumen an die Kinderzimmer. Wer nicht aufgeräumt hat, dreht das Schild am anderen Morgen um. Dann weiß unsere Hilfe: hier ist Sperrgebiet, Betreten unzumutbar und es wird nicht geputzt.


Filz-Labels handgefertigt von Fräulein Etepetete


Das Schöne an den Schildern ist, dass sie nicht rumbrüllen oder die Kinder abwerten. Sie sind aus Pappe Filz, kennen keinen Groll und können keine Sätze schreien wie: „Wie oft soll ich Dir noch sagen ...“ oder „Immer muss ich …" Sie erinnern mich mit ihrer sachlichen Freundlichkeit an unser Navigationsgerät im Auto. „Nach fünfhundert Metern rechts abbiegen ...“, „Nach Möglichkeit bitte wenden.“ 
Kann nicht jemand da draußen mal ein Navigationsgerät erfinden, das Kindern beim Aufräumen hilft. Es würde sagen: „Bewege Dich auf den bunten Haufen 50 Zentimeter neben dem Schrank zu, streiche das T-Shirt glatt, lege die Jeans zusammen, rieche zur Kontrolle an den gestreiften Socken. Du steuerst gerade auf die Spielkonsole zu, bitte wenden, bitte wenden, hänge das Hemd auf einen Bügel, lasse den iPod links liegen, lege die Stifte auf den Schreibtisch, du hast Dein Ziel erreicht.“
Bis ein solches Gerät entwickelt ist, setze ich auf die Türschilder. 

Ich habe meine Pappschilder ins Altpapier geworfen und verwende jetzt die schönen Filz-Labels. Die Idee hat sich bewährt. Seit fast einem Jahr hänge ich einmal pro Woche die Aufforderung zum Aufräumen an die Türklinken. Das ist längst zum Ritual geworden. Ab und zu entscheiden sich die Kinder für "Nicht putzen" und "Nicht aufräumen", aber irgendwann wird ihnen das Chaos dann doch zu viel und sie räumen in der nächsten Woche wieder auf. Und wenn sie gerade viel für die Schule tun müssen, kann es auch sein, dass ich mal helfe. Auf jeden Fall - finde ich - sollte man das nicht so verbissen sehen.

Zur Feier des Tages (welcher Tag, welche Feier? ... egal, jeder Tag ist zum Feiern) verlose ich zwei Aufräum-Labels aus Filz (wie abgebildet) und fünf kleine Katzenklo-Labels.


Gerne hätte ich noch ein "Ich-liebe-dich"-Label.



Schreibt mir einfach einen Kommentar, in dem ihr folgende Fragen beantwortet:

  • Wie wichtig ist dir Ordnung generell?
  • Wie wichtig ist dir Ordnung im Kinderzimmer?

Bitte schreibt auch dazu, ob ihr ein "Aufräum"- oder ein "Katzenklo"-Label gewinnen möchtet.

Die Verlosung endet an diesem Donnerstag, 21. Februar 2013, um 9 Uhr morgens.

Solltet ihr kein Losglück haben, könnt ihr die Labels auch bei Fräulein Etepetete bestellen.

Die Großen sind beidseitig beschriftet und kosten 9 €, die Kleinen kosten 6 €.

Herzlichen Dank Fräulein Etepetete und euch viel Glück bei der Verlosung.

Immer schön fröhlich bleiben


Uta


PS: Regenbogenbuntes hat mich darauf hingewiesen, dass es die Stickdatei als Freebie auf ihrer Seite gibt.


Freitag, 15. Februar 2013

Glückliche Familie Nr. 122: Konferieren to go


Schwester Nr. 3 meinte, das mit dem Konferieren im letzten Post sei nicht hilfreich für sie. Sie befände sich mit ihrem Sohn sowieso in einem Zustand des Dauerkonferierens.

Meine Schwester ist allein erziehende Mutter eines 13jährigen Sohnes.

Das mit dem Allein-Erziehen ist wirklich eine Crux. In meinen Unterlagen vom "Lions-Quest"Seminar fand ich eine gute Stelle dazu.

"Mädchen und Jungen erleben Familie aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Für beide Geschlechter ist meistens die Mutter erste und häufigste Ansprechpartnerin für ihre Sorgen und Nöte. Väter sind häufiger abwesend, haben meist einen geringeren Anteil an der Erziehungsarbeit und sind für ihre Söhne als Beispiel für die Entwicklung einer männlichen Identität nur begrenzt präsent. Deswegen bleibt Jungen auf der Suche nach ihrer Männlichkeit manchmal nur die Abgrenzung vom Weiblichen." ("Lions-Quest - Erwachsen werden", Kapitel 5, Seite 3)

Ich beziehe dieses Zitat hier mal auf die Situation von allein erziehenden Müttern mit Söhnen.

Ansonsten finde ich, dass heutige Väter (von Ausnahmen abgesehen) deutlich präsenter in den Familien sind als in den Generationen davor.


(Kleine Valentins-Gedenk-Minute für den Soßenkönig.)


Jetzt dürft ihr wieder sprechen oder mit den Tasten klappern, Minute ist vorbei.

Mir kommt es auf den Satz an:
"Deswegen bleibt Jungen auf der Suche nach ihrer Männlichkeit manchmal nur die Abgrenzung vom Weiblichen."
Das macht mich sprachlos.

Dann ist Mama nur eine Negativfolie für die eigene Identität. Weil die heranwachsenden Männer kein positives Rollenvorbild haben, muss Mama herhalten als der Mensch, der man auf keinen Fall werden will. Und das nur, weil sie zum anderen Geschlecht gehört.

Das ist bitter.

Schwesterherz hat aber einen guten Tipp, um die Situation zu mildern:

Sie und ihr Sohn sitzen sich nicht am Tisch gegenüber wie der kleine Lord und sein Großvater. Sie haben nebenbei gesagt auch kein Personal, das die Karten mit den Lösungsvorschlägen von einem Tischende zum anderen tragen könnte. Nein, meine Schwester geht mit ihrem Kronprinz zum Problemlösen nach draußen. Sie reden im Gehen. Besonders schön im Dunkeln mit Taschenlampe.

Das ist neu: "Konferieren to go".

Meine Schwester sagt, dass sie dann beide nicht so ausrasten, weil sie sich in einem öffentlichen Raum bewegen würden. Zudem sei es entspannter, nebeneinander her zu gehen als sich eins zu eins gegenüber zu sitzen.

Wir wissen ja:

Männliche Körper können nicht still sitzen.
Männliche Hirne wollen nicht von vorne zugetextet werden.

Darüber schrieb ich hier.

Deshalb empfiehlt auch Frank Beuster, der Autor der "Jungenkatastrophe", mit heranwachsenden Jungen joggen zu gehen, wenn es etwas zu besprechen gibt. So kann man Probleme beiläufig lösen.

Meine Schwester löst nicht nur laufend Probleme, sie hat auch Ausschau gehalten nach männlichen Vorbildern für meinen Neffen.
Als sie ihn vor Jahren beim Fußball anmeldete, habe ich mich sehr gefreut. Ich sah gedanklich einen Mann im Trainingsanzug vor mir, die Haare schütter von den vielen Kopfbällen, Waden wie Gert Müller und ein Herz groß wie ein Torwarthandschuh. Einer, der die Jungs zum Sieg brüllt und ihnen nach der Niederlage väterlich die Haare rauft.
Ich brannte darauf zu erfahren, wie es war beim ersten Training. "Ganz okay", sagte meine Schwester. "Und der Trainer?" - "Der Trainer ist eine Frau."

Habt ihr "Karate-Kid" gesehen, den mit Jackie Chan und Jaden Smith in den Hauptrollen?
Da geht es auch um eine allein erziehende Mutter und ihren Sohn. Permanenter Kleinkrieg zermürbt ihren Alltag. Mutter muss beruflich in einem neuen Land Fuß fassen, der Sohn sich behaupten als Neuling in der Schule. Dem Jungen ist nicht mal beizubringen, dass er nach der Schule seine Jacke aufhängt, bis der Hausmeister Mister Han in sein Leben tritt. Er macht den Jungen zu seinem Karate-Schüler. Und nicht nur das. Er lehrt ihn, seine Mutter zu respektieren und sich im Leben aus eigener Kraft zu behaupten.


"Häng die Jacke auf!" Szene aus dem Film "Karate Kid" aus dem Jahr 2010 mit Jackie Chan und Jaden Smith.


Ich gehe dann mal für meinen Neffen einen Schwarz-Gurt-Hausmeister suchen.

Immer schön beiläufig Probleme lösen, männliche Vorbilder aufspüren und fröhlich bleiben

Uta

Dienstag, 12. Februar 2013

Glückliche Familie Nr. 121: Das Medien-Greenhorn

Ich bin zurück von dem Seminar "Lions Quest - Erwachsen werden" und kann euch berichten.

In dem Kurs lernen Lehrer ein Programm zum sozialen Lernen in der Sekundarstufe 1 kennen und erfahren, wie sie es in der Schule einsetzen können. Eines der neun Kapitel des Programms trägt den Titel "Mein Zuhause". Es enthält Material, mit dem die Lehrer das Thema "Meine Familie" bearbeiten können.

Am Samstag sammelten wir am Flipchart, worüber in Familien am häufigsten gestritten wird.
  • Mithelfen im Haushalt
  • Hausaufgaben
  • Zimmer aufräumen
  • gesunde Ernährung
  • Mediennutzung
  • Kleidung
  • Taschengeld

Dann haben wir abgestimmt, welches Thema in den Familien der Konfliktauslöser schlechthin ist.

Absolute Mehrheit erreichte das Thema  "Mediennutzung".

Die nächste Aufgabe lautete: "Formuliert die Sorgen von Müttern und Vätern in Bezug auf dieses Thema!"

"Wie viel Zeit habt ihr?", hätte ich am liebsten in den Raum gebrüllt. Wollen wir die Nacht und den Sonntag noch dran hängen? Wie viele Flipchart-Bögen soll ich euch vollkritzeln mit meinen Gedanken zur Mediennutzung meiner Kinder?

Eine riesige Erschöpfung übermannte mich. Ich sank auf meinen Stuhl zurück, mein Namensschild hing schlaff vom Pullover. 

Ich dachte daran, was sich in meiner Familie an diesem Samstagmorgen wohl abspielen würde.  Kronprinz (15), kaum erwacht, würde die neuesten Facebook-Nachrichten checken und mein Mann würde wahrscheinlich Prinzessin (12) bearbeiten, ihn auf den realen Wochenmarkt zu begleiten, statt virtuell Äpfel zu ernten.

Vor mehr als zehn Jahren sah das noch so aus:

Kronprinz und Soßenkönig beim Fernsehen.
 Ich wüsste zu gern, was die beiden damals so gefesselt hat.

Im Seminar wurde ein Lehrer aus Niedersachsen dazu bestimmt, im Rollenspiel den zwölfjährigen Kim zu spielen. Die Rolle von Kims Mutter übernahm ein junger Sportlehrer, Typ "Surfbrett auf Mini-Cooper". Ich gehörte zu der Gruppe, die der Mutter Argumente liefern sollte. 

Der Sportlehrer räusperte sich für den Probelauf.
"Kim, würde ich sagen, Kim, ich mache mir Sorgen, dass du deine sozialen Kontakte vernachlässigst". Er setzte sich aufrecht auf den Stuhl mit dem Schild "Mutter". "Ich schlage vor, du machst zuerst deine Hausaufgaben. Dann gehen wir deine Hausaufgaben zusammen durch, und wenn ich zufrieden mit deiner Arbeit bin, darfst du eine halbe Stunde an den Computer." 

"Hat er nur ein Surfbrett oder auch Kinder?", raunte ich der Kollegin neben mir zu. 

"Ich glaube, er hat eine kleine Tochter, die gerade krabbeln kann."

Wir hatten es mit einem Greenhorn der Mediendebatte zu tun.

Ich konnte mich nicht zurück halten, dem jungen Lehrer aufzuzählen, was der Rollenspiel-Kim ihm gleich entgegen schleudern würde:

...ich brauche den Computer für mein Referat
...ich muss über Facebook fragen, was wir aufhaben
...ich muss noch in den Vertretungsplan gucken
...ich muss in meinem Computerspiel den nächsten Angriff starten, sonst fliege ich aus dem Clan
...ich werde zum Außenseiter, wenn ich bei diesem Spiel nicht mitmache
...ich muss für Kunst noch den Impressionismus googeln

Der junge Lehrer rieb sich ratlos den Bart. "Wie soll ich da eine Grenze ziehen?"

Zwei Erkenntnisse habe ich aus dieser Übung mitgebracht:

  • Selbst wenn 28 Pädagogen und eine Erziehungsbücher verschlingende Mutter im Raum sind, findet man bei diesem Thema nicht den Stein der Weisen. 
  • Die einzige Lösung ist, sich von Zeit zu Zeit in der Familie zusammen zu setzen und die Situation in Ruhe miteinander zu besprechen.

Dafür sind laut Lions-Quest-Programm* folgende Schritte hilfreich:


1. Eltern machen ihren Standpunkt klar, sagen, welche Sorge sie umtreibt;

2. Kind sagt, was ihm in dieser Sache wichtig ist

3. beide Parteien schlagen Lösungen vor

4. "Streichkonzert": die Lösung, die für die Parteien nicht in Frage kommen, werden gestrichen

5. Kompromiss finden


Solche Familiensitzungen finden bei uns alle paar Wochen einmal statt, wenn dem Soßenkönig oder mir eine Fehlentwicklung auffällt. Das kann man machen mit Kindern ab circa acht Jahren aufwärts.

Ich nehme mir lieber die Zeit, die Familie von Zeit zu Zeit zu solch einer Sitzung zusammen zu trommeln, als dass ich dem alltäglichen Dauermeckern verfalle.

Haltet ihr Familienkonferenzen ab? Das würde mich sehr interessieren.

Immer schön fröhlich konferieren

Uta

*Von mir leicht abgewandelt. 

Mittwoch, 6. Februar 2013

Glückliche Familie Nr. 120: Mit Juul beim Friseur


"Hauptsächlich geht es darum, dass wir den Kindern von heute ... dabei helfen müssen, dass sie in sich selbst ruhen, dass sie ihre eigene Ruhe finden." 
Jes Bertelsen, Steen Hildebrandt, Helle Jensen, Michael Stubberup, Jesper Juul, Peter Hoeg: Miteinander. Wie Empathie Kinder stark macht, Weinheim und Basel 2012, S. 11, kursive Hervorhebung in der Vorlage.*

Beim Friseur gestern las ich diese Zeilen, als die Tönung auf mich einwirkte. Der schwarze Umhang hob und senkte sich in Bauchhöhe. So tief war plötzlich meine Atmung.

"Darum hilft man einem Kind nicht dabei, größeren inneren Halt zu entwickeln, indem man ihm immer nur etwas Neues beibringt. Man hilft ihm, indem man es darin unterstützt, dass es nicht verliert, was es doch von Beginn an mitgebracht hat."
ebd. S. 28*

Seite um Seite tauchte ich mehr ein in die Menschenfreundlichkeit von Juul und seinen dänischen Kollegen. Erst als ich mich hinterm Ohr kratzte und es dort kalt und feucht war von der "Color-Touch"-Farbe "deep brown", erwachte ich aus meiner Trance.

"Wollen wir mal?" fragte die Friseurin. Ihre schwarzen Gummihände zogen mir  schon die Brille aus dem Gesicht.

"Wollen wir was? Den Kindern helfen, zu ihrem inneren Wesenskern vorzudringen?" -

"Wollen Sie mir jetzt mal zum Waschbecken folgen?" - "Ach, ja."

Ich hatte den Elternabend überstanden (war gar nicht so schlimm, wir konnten die Wogen glätten) und saß nun mit einem meiner Lieblingsautoren (Jesper Juul), mit Schwarztee und Keks im Beauty-Tempel.

Es gibt so Bücher, die es schon im Vorwort schaffen, uns innerlich wieder zusammen zu fügen. So ein Buch ist "Miteinander". Und die letzte negative Energie von Eltern, die Rechtschreibfehler in Lehrerinnen-E-Mails für eine Bedrohung des Abendlandes halten, ließ ich mit der "Deep-brown"-Tönung in den Abfluss spülen.

In dem Buch bin ich erst auf Seite 45, aber das musste ich schnell mitteilen, ehe ich morgen auf ein mehrtägiges Seminar fahre. Es ist eine Einführung in das Programm "Lions-Quest", bei dem Lehrer lernen, die Klassengemeinschaft zu fördern und das Selbstvertrauen ihrer Schüler zu stärken. Mich hat das immer schon interessiert und ab morgen darf ich dabei sein (ich werde berichten).

Von meiner Frisur habe ich kein Bild, aber von unserem Kater Gulliver. Bei dem liegt immer ein Härchen auf dem anderen.





Bis zu meiner Rückkehr immer schön fröhlich bleiben

Uta


* Ich habe heute so akribisch die Quellen genannt, damit mir nicht in 30 Jahren meine Brigitte-Mom-Blog-Herzchen aberkannt werden, weil ich nicht korrekt zitiert habe.

Montag, 4. Februar 2013

Glückliche Familie Nr. 119: Das Lauffeuer des 21. Jahrhunderts


Ihr erinnert euch vielleicht an dieses Bild.

Collage mit einem Foto aus dem Hamburger Abendblatt mit Mönchen des Drupka-Ordens

Ich hatte mich in den Kreis buddhistischer Mönche geschmuggelt, um mit der vollen Wucht eines Symbol-Fotos klar zu machen, welche Haltung mich als Elternvertreterin von der Kronprinz-Klasse  tragen soll.

Wenige Wochen sind verstrichen und es ist vorbei mit Lächeln und Winken.

Die Schulleiterin hat uns Elternvertreter zum Gespräch gebeten. Väter und Mütter aus unserer Klasse würden sie aufsuchen oder harsche Mails an sie und in Kopie an ihren Stellvertreter schreiben und sich über die neue Klassenlehrerin beschweren.

"Was ist denn da los?"

Lottas Vater, der andere Elternvertreter, und ich rutschten auf den Besucherstühlen im Zimmer der Schulleiterin herum. So richtig erklären konnten wir den Aufruhr nicht.

Manche Eltern beklagten Rechtschreibfehler in den Mails der jungen Lehrerin, andere meinten, sie zerstöre die Klassengemeinschaft.

Lottas Vater und ich haben mehrere Zeugen vernommen, haben uns mit der Lehrerin in einer Teestube getroffen, mit den Klassensprechern über Franzbrötchen in der Schulkantine gesessen und einen inneren Seismographen entwickelt für die Stimmungsschwankungen bei unseren Kindern und den Mitschülern, die gelegentlich in Lottas Familie oder bei uns zu Mittag essen.

Lottas Vater hat die E-Mails der neuen Lehrerin mit denen der alten Lehrerin verglichen und einer Sprachanalyse unterzogen. Die neue Lehrerin schnitt dabei besser ab als ihre Vorgängerin.

Speichelproben von den Schülern zu nehmen, ist nicht erlaubt. Sonst hätten wir den Gehalt des Stresshormons Cortisol vor und nach den betreffenden Unterrichtsstunden bestimmten können.

So langsam bekam ich ein Großstadt-Revier-Feeling. Wir vernahmen Zeugen, untersuchten Schriftproben, verhörten die Chefin des Opfers, äh, der Täterin. Ein Vater appellierte per Rund-Mail an die Beschwerdeführer, "sich endlich aus der Deckung zu wagen."

Am Ende unserer Ermittlungen beschlossen wir, einen Elternabend zu machen ohne die umstrittene Klassenlehrerin, damit wir in Ruhe die Wogen glätten könnten.
Die Lehrerin war auch einverstanden, fast erleichtert. Wir schrieben eine Einladung, in der Wörter vorkamen wie "Sachstand", "Informationslage", "Lernsituation", "Fairness", "Besonnenheit".

Nun erreichten uns E-Mails von Eltern, die bisher keine Probleme hatten. Sie wollten zu einem solchen Elternabend nicht kommen, hätten auch von anderen gehört, dass sie die Versammlung boykottieren wollten. Und sie sähen gar nicht ein, sich von einigen Überbesorgten deren Probleme aufdrängen zu lassen.

Äh?

Irgendwann in dieser Geschichte hat jemand Bühnenbretter ausgelegt. Ein anderer hat einen schweren Vorhang aufgezogen. Der nächste hat riesige Scheinwerfer montiert und sich die Nase gepudert. Immer mehr Statisten traten auf die Bretter, bildeten Grüppchen um die Rechthaber, die noch an ihrem Text feilten. Täter, Opfer - die Rollen waren schnell verteilt. Die Souffleuse kletterte in ihren Kasten und begann, harte Urteile über Menschen zu flüstern, die man kaum kennt.

Wenn ein Drama in Schwung kommt, springt in jedem von uns das Ego an.

Mein Ego begann eine Rede zu formulieren, die es den Kleingeistern mal so richtig zeigen sollte. Es hatte große Lust, im Laufe des Elternabends das Amt theatralisch hinzuwerfen.

Ich werde nichts dergleichen tun.

Nur eines werde ich tun: Euch einen Tipp weitergeben, den Lottas Vater und ich von der Beratungslehrerin der Schule bekommen haben:

E-Mails eignen sich nicht zur Problemlösung. Konflikte lassen sich nur im persönlichen Gespräch mit den direkt Betroffenen klären.

Die  E-Mail, das Lauffeuer des 21. Jahrhunderts.

Heute findet der Elternabend statt. Deshalb dürft ihr mir diesmal wünschen:

Immer schön fröhlich bleiben, Uta!

Freitag, 1. Februar 2013

Glückliche Familie Nr. 118: Die Gewinnerin


Am liebsten hätte ich zehn Exemplare vom Buch meiner Kindheit verlost. So viele ausführliche und interessante Kommentare habe ich bekommen. Da hätte ich gerne viel mehr Leser beschenkt.

Vielen Dank für die lieben Glückwünsche zum Blog-Geburtstag und all die Beiträge!

... and the winner is ... frisch gezogen von Prinzessin (12)

Jana von Sonnentaucher Filzlinge


Herzlichen Glückwunsch!

Janas liebste Bücher in der Kindheit waren

  • "Der Zauberer von Smaragdenstadt" von Alexander Wolkow
  • "Nimmerklug im Knirpsenland" von Nikolai Nossow

Liebe Jana, schicke mir bitte eine Mail mit deiner Adresse, damit ich das Buch zur Post bringen kann.

Immer schön fröhlich lesen

Uta