Freitag, 29. Juni 2012

Glückliche Familie Nr. 57: Ankunft in New York


Von der Einreisekontrolle an amerikanischen Flughäfen hatte ich Schlimmes gehört und mich darauf eingestellt, wir würden wie Terroristen behandelt, die als Tarnung zwei Kinder dabei haben.

Ein glatzköpfiger Spätfünfziger mit dicker Brille winkte uns an seinen Schalter. Er nahm fröhlich unsere Fingerabdrücke, lobte das Englisch meines Mannes und plauderte mit Kronprinz. Bei Prinzessin nahm er keine Fingerabdrücke, weil sie noch unter vierzehn ist. Er setzte sich aber gerade auf seinen Drehstuhl und verkündete mit feierlichem Ernst, er müsse ihr stattdessen ein paar wichtige Fragen stellen.
Wir alle schluckten.

In der amerikanischen Verfassung stehe, dass Kinder auf Mama und Papa hören sollten und ob sie dazu bereit sei.
Nach unserer Übersetzung nickte Prinzessin schnell.

Und ob sie sich verpflichten würde, strenger Blick über die dicke Brille, immer nett zu ihrem Bruder zu sein?

Wieder nickte sie pflichtschuldig. Sie hielt das für das normale Procedere.

So ein schönes Willkommen.
Mein Mann sagte dem lustigen Einreisebeamten, dass er häufig geschäftlich in den USA sei und noch nie so nett kontrolliert worden sei.

Es gibt einfach Menschen, die machen einen Unterschied, egal wo sie arbeiten.


Skulptur von Robert Indiana, W55th Street Ecke 6th Avenue


Da lässt es sich leicht fröhlich bleiben.

Eure Uta in New York

Sonntag, 24. Juni 2012

Ich bin dann mal weg


Wir haben Ferien und verreisen morgen in aller Frühe. 

Beim Packen muss ich immer an den früheren Bischof von Limburg, Franz Kamphaus, denken. Ich habe mal von ihm gelesen, dass er immer mit einem winzigen Köfferchen verreist, egal wie lang die Reise dauert.

Bei mir dagegen biegt sich das Bett von all den Sachen, die ich darauf bereit lege. Und soll ich tatsächlich die Haartönung mitnehmen? Für die Haartönung brauche ich auch die Schale zum Anrühren, das Pinselchen, die Einmalhandschuhe ....

Urlaub - das ist für mich auch Erholen durch Einfachheit: ein Leinenhemd, Shorts, Espadrilles. Mein Kamm ist der Wind, mein Duschgel die Brandung, mein einziger Schmuck eine Muschel am Angelhaken im Ohrläppchen... Ich hör ja schon auf. Das hier ist nicht das Pilcher-Frei-Öl-Blog.

Soll ich reisen wie Madonna oder wie der Bischof?

"Du kannst doch nicht jeden Tag in Schwarz mit weißem Kragen rumlaufen", sagt mein Mann und schmeißt seine Lieblingshemden in den Koffer.

Recht hat er. Mein Blick fällt auf ein Prospekt-Foto, das als Inspiration in meinem Kleiderschrank hängt.


Uta in USA wird eher so aussehen ... na fast.


Ab morgen bin ich dann mal weg. Wegen des Haartönungssets kann ich keine Erziehungsbücher mitnehmen. Und da wir eine Rundreise machen, weiß ich noch nicht, wie oft ich posten kann. Lassen wir uns überraschen. 
Auf jeden Fall immer schön fröhlich bleiben

Uta

Freitag, 22. Juni 2012

Glückliche Familie Nr. 56: Die blaue Sonne



"Warum Huckleberry Finn nicht süchtig wurde" ist der wunderschöne Titel eines Buches, das der Psychotherapeut Eckhard Schiffer vor Jahren geschrieben hat. Darin schildert Schiffer Beispiele aus seiner Klinik für Jugendliche mit Essstörungen und anderen Suchtproblemen.

Der wichtigste Schutz vor Süchten sei- so Schiffer -, dass Kinder einen gesunden Eigen-Sinn ausleben dürfen. Damit meint Schiffer, sowohl unbeaufsichtigt durch die Natur streifen zu dürfen (eben wie der alte Huck und sein Freund Tom Sawyer) als auch sich künstlerisch frei ausdrücken zu können.

"Die immer wiederkehrende Gestaltung des eigenen Ausdrucks meint etwas Eigen-Sinniges, in das kein anderer hineinzureden hat - weder Eltern und Erzieherinnen noch Lehrer und Lehrerinnen."

Wenn Charlotte eine blaue Sonne malt, wer hätte das Recht zu sagen, dass die Sonne gelb sein soll?

Warum im Garten nicht eine Ecke mit Gebüsch stehen lassen zum Sich-Verkriechen anstatt an die Holzschaukel den kesseldruckimprägnierten Standard-Turm aus dem Baumarkt zu schrauben, in dem sich jeder Ritter langweilt?

Prinzessin (11) fragte mich heute, ob sie eine Weile auf dem Dach sitzen dürfe. Dort fühle sie sich unkontrolliert und frei und könne ungestört in den Himmel träumen.

Also war bei uns heute Huckleberry-Finn-Zeit.





Prinzessin (11) auf ihrem Himmelsthron. 



Kraniche aus Papier, Kronprinz 14, vor einigen Tagen nachts entstanden, als die Eltern schon schliefen ... nach einer Vorlage aus dem Internet.





Spiel "Schiffe versenken" aus zwei gegeneinander geklebten Pizza-Kartons. Bei "Treffer versenkt" muss der Spieler das getroffene "Schiff", den Plastikbecher mit Kirschsaft, austrinken, eigene Idee Kronprinz (14).



"Ein Haus für Uta", mein Neffe Paul mit etwa 7 Jahren.


Die Tochter meiner Freundin Christiane formt aus eingeweichtem Toilettenpapier Skulpturen. Außerdem schöpft sie selber Papier. Dazu braucht sie durchfeuchtete Papierfetzen und die Bräunungscreme von Christiane (dem Papier ist sein Teint auch nicht egal).


Meine Tipps:

  • Habt eine Antenne für den Eigen-Sinn eurer Kinder.
  • Habt immer Mal- und Bastelzeug bereit stehen, so dass sie jederzeit etwas malen können und man es auch schnell wieder wegräumen kann. (Bei uns auf einem großen Tablett unterm Schrank.)
  • Wenn ihr im Garten einen Baum gefällt habt, schmeißt den Stamm nicht weg. Legt ihn quer auf die Terrasse, dazu eine Kiste mit Nägeln und Hammer. (Eine Bekannte von mir hat auf diese Weise erreicht, dass sich ihre Jungs und die Freunde aus der Nachbarschaft tagelang damit beschäftigt haben.)
  • Wenn ihr einen Garten habt, sorgt für Nischen und Verwunschenes, legt alte Decken zum Zuhängen von Büschen bereit. Kinder finden es langweilig, wenn der eigene Garten aussieht wie die Landesgartenschau.
  • Zeichenblöcke, Notizhefte und Bleistifte verschiedener Härte gibt es bei uns auch zwischendurch  geschenkt.
  • Genial ist, wenn man Platz hat für eine Werkbank.
  • Beim Discounter gibt es manchmal günstig große Schachteln mit Acrylfarbe oder Zeichenkreide. Her damit.



Immer schön fröhlich bleiben

Uta

Montag, 18. Juni 2012

Glückliche Familie Nr. 55: Gefallsucht


Der gute Tom Hodgkinson nennt in seinem Buch über entspannte Elternschaft (The idle parent) zwei wichtige Grundsätze.

Der erste Grundsatz lautet:


Du kannst besser am Anfang streng zu den Kindern sein und spaeter locker als umgekehrt. 


Diese Regel kommt irgendwie zu spät für mich. Oder soll ich jetzt noch lockerer werden. Ich probiere es mal.

(Jetzt kommentieren die Großeltern wahrscheinlich: "Nein, nein, es reicht schon mit deiner Lockerheit!" und drücken den Zeigefinger eine halbe Stunde auf das Ausrufezeichen.)


Der zweite Grundsatz lautet:


Lobe deine Kinder in der Oeffentlichkeit und kritisiere sie zu Hause. 


In diesem Punkt muss ich mir wenig vorwerfen. Ich bin als Mutter sowieso nicht der Typ "Schimpfdrossel" und schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Wenn ich erlebe, dass andere Eltern ihr Kind vor anderen Leuten zur Schnecke machen, wünsche ich immer, der Boden tue sich auf und das Kind und ich könnten zusammen in diesem Erdloch verschwinden. Grasdeckel zu, Mama endlich still. 


Dass Eltern ihr Kind öffentlich herunterputzen, erlebe ich immer wieder. Meistens sind es Nichtigkeiten: Der verlorene Sportschuh, die nicht getragene Zahnspange, das kaputte Fahrrad, die nicht gemachten Hausaufgaben, das vergessene Dankeschön für ein Geschenk oder eine Einladung.


Tom Hodgkinson beruft sich in diesem Punkt auf John Locke, den Vordenker der Aufklärung:
"Locke bemerkt, dass Eltern ihre Kinder in der Öffentlichkeit zurechtweisen, um vor anderen als standhaft und streng zu erscheinen. Ich mache es selber so: Ich schimpfe mit ihnen vor anderen, so dass ich als 'guter' Vater dastehe. Aber das demütigt das Kind. Es ist besser, sie vor anderen zu loben." ("The idle parent", Seite 35)

Neulich war ich auch in einer Situation, in der ich aus Gefallsucht ganz anders gehandelt habe, als ich es für mich allein in Ruhe getan hätte.

Kronprinz (14) hatte Klassenfest am Elbstrand. Er war schon vorgefahren und ich kam mit Prinzessin (11) und dem Couscous-Salat hinterher. Kaum hatte ich meine Schüssel auf den Tapeziertisch neben die Grillwürstchen gestellt, stand mein Sohn vor mir. "Darf ich ein Bier trinken?" - "Bier?" Ein halbes Dutzend Eltern stand um Grill und Salatbüfett, genüsslich wartend, wie ich reagieren würde.
"Mit Alkohol?" - "Ja, was denkst du, ein Malzbier?" - "Jetzt werde mal nicht frech!" Zum Glück hatte ich noch das Salatbesteck in der Hand. Wenn meine Autorität schon baden ging, musste ich wenigstens das Besteck hoch halten.
"Dürfen die anderen das denn auch?" (Toller Satz, wo ich sonst immer sage, dass es uns einen feuchten Kehricht interessiert, was andere tun.) "Ja, die meisten." Und die Lehrerin hätte gesagt, sie würde die Entscheidung den Eltern überlassen. Die Lehrerin guckte angestrengt in die Grillkohle. Stille über den Nudelsalaten und den Mozzarella-Tomaten.
Ich spürte eine starke Transpiration in den Achselhöhlen und ließ die Hand mit dem Salatbesteck lieber sinken. In meinem inneren Stress griff ich auf eine moderne Version von "Warte, bis der Papa nach Hause kommt" zurück. Ich sagte: "Hier hast du mein Handy und frage deinen Vater, was er davon hält." (Ohne Publikum hätte ich nie so theatralisch gesagt "deinen Vater").
Gesagt, getan.
"Er hat es erlaubt," rief Kronprinz, warf mir mein Handy zu und verschwand mit seinen Mitschülern im Gebüsch.
"Wer hat denn diese leckere Zucchini-Quiche gemacht?" fragte ich heiter und zählte fieberhaft nach, wie viele Eltern in der Klasse wissen, dass ich eine Elterntrainer-Ausbildung habe.

In einem Elternkurs hätte ich geraten, den Sohn kurz beiseite zu nehmen, sich zusammen in den Sand zu setzen und ungestört mit ihm zu sprechen. Ich hätte empfohlen, es zu erlauben. Schließlich sei es doch viel besser, sie probieren Alkohol, wenn wir dabei sind, als wenn sie es heimlich tun.

Die Realität sah leider anders aus, verlief im Ergebnis aber glimpflich: Kronprinz schmeckte das Bier überhaupt nicht, trank nur ein wenig mit Limo verdünnt und das Thema ist - fürs erste - erledigt.

Das Beispiel hinkt, weil ich Kronprinz nicht wirklich gedemütigt habe. Aber diese Situation erinnert mich daran, wie schwer es sein kann, besonnen zu handeln, wenn andere Mütter und Väter dabei sind.

Ich habe ein weiteres Beispiel:

Ich holte Prinzessin (11) nach einer Übernachtung bei ihrer Freundin ab. Mein Fahrrad parkte ich genau vor dem Eingang des Reihenhauses. Prinzessin stopfte den Schlafsack auf ihren Gepäckträger. Jetzt musste ich nur noch mein fest montiertes Ringschloss am Hinterrad wieder öffnen, fand aber den kleinen Schlüssel nicht. Während die gesamte Familie der Freundin nach dem Motto "Lass doch mal das Kind vor" in der Haustür stand und zusah, wie ich meinen eigenen Körper einer Leibesvisitation unterzog, verdrehte Prinzessin die Augen. Anstatt Vorgarten und Rinnstein abzusuchen, machte sie Bemerkungen, die zum Ausdruck brachten, dass sie die dümmste Mutter des Universums hätte.
Ja, ich kochte innerlich, guckte streng, aber sagte nichts. Endlich fand sich der kleine Schlüssel in irgendeiner Taschenfalte und wir machten uns auf den Nachhauseweg.

Kaum waren wir aber um die Ecke gebogen, brachte ich Prinzessin mit quietschenden Hollandreifen zum Stehen. "Nie wieder", sagte ich, "nie wieder machst du solche Bemerkungen, wenn andere Leute dabei sind. Wenn ich dich vor deinen Freundinnen so behandeln würde, wärest du auch sauer, oder?"

Danach waren wir wieder miteinander im Reinen und ich war froh, dass ich sie nicht vor der anderen Familie heruntergeputzt habe.

Immer schön fröhlich bleiben

Uta auf dem Weg zur Jean-d'Arc der Kinderwürde

Freitag, 15. Juni 2012

Glückliche Familie Nr. 54: Die Kita-Frage


Neulich haben Prinzessin (11) und ihre Freundin Toni einen Vormittag in ihrer alten Kita verbracht. In der Schule war "Sozialer Tag" und sie durften in den Kindergarten, um dort zu helfen und für ein soziales Projekt ein bisschen Geld zu verdienen.

Als die beiden mittags zurück kamen, waren sie - nennen wir es - irritiert. Sie waren in unterschiedlichen Gruppen und hatten beide eine ähnliche Erfahrung gemacht. Toni fand einen knapp Dreijährigen "so süüüüüüüß" und kümmerte sich um ihn. Aber als er einmal weinte und sie ihn auf den Arm nehmen und trösten wollte, sagte die Erzieherin, sie sollte das bitte lassen.

Prinzessin hatte ihr Herz an Klein-Augustin verloren. Er wollte immerzu an ihrer Hand gehen, auch als sie von einem Besuch der Kirche in die Kita zurückkehrten. Aber Augustin durfte nicht. Die Erzieherin, diesmal eine andere, griff ein. Prinzessin musste ein anderes Kind an die Hand nehmen.

Vielleicht tue ich den Erzieherinnen unrecht. Vielleicht fürchteten sie, Toni könne einen Bandscheibenvorfall erleiden und Prinzessin eine chronische Handverkrampfung.
Trotzdem, ich martere mein Hirn, ich versuche, neue Synapsen zu bilden, aber mir will kein Grund einfallen, warum man einen knapp Dreijährigen, der weint, nicht trösten sollte. Und können kleine Kinder, die zu lange an der gleichen Hand gehalten werden, verweichlichen?

Vielleicht sollte das passieren, damit ich Anlass habe, auf einen Artikel des dänischen Erziehungsexperten Jesper Juul in der Süddeutschen Zeitung vom 6. Juni 2012 hinzuweisen. Dort schreibt er:
"Nach meiner Erfahrung hängt die Qualität, die ein Kind im Kindergarten erlebt, wesentlich von drei Aspekten ab:
- Verlangt das Kind nach Trost, Fürsorge oder Sicherheit, müssen Erwachsene da sein. Allein, um dieses Bedürfnis wahrnehmen zu können, braucht es mehr Personal in den Kitas: einen Betreuer für je vier Ein- bis Dreijährige, einen Betreuer für je sechs Drei- bis Sechsjährige; 
- Ein Kind muss die Freiheit haben, zu tun, wofür es sich begeistern kann. Und das so lange, wie es das möchte;
- Eine Kita braucht ausreichend Platz, also mehrere Räume und die Möglichkeit, nach draußen zu gehen." 

Ferner schreibt er von der gerade grassierenden "Plage, Kinderbetreuungseinrichtungen als eine Art Mini-Schulen zu betreiben" und nennt einen weiteren Aspekt, den es aus seiner Sicht zu verbessern gilt:
"In einer Gesellschaft, in der Kinder den Großteil des Tages mit professionellen Betreuern verbringen, haben diese Menschen und deren Arbeitgeber eine wesentlich größere Verantwortung für die persönliche und soziale Entwicklung jedes einzelnen Kindes. Diese Verantwortung muss mit den Eltern geteilt werden. Aber keine der in Frage kommenden Ausbildungswege bereitet die Betreuungspersonen auf diese zentrale Aufgabe vor."

Ich habe eine Kopie des Artikels bekommen über den "Familylab"-Newsletter, den ich beziehe. "Familylab" gibt Informationen rund um die Arbeit von Jesper Juul, bietet Familienwerkstätten an, vertreibt seine Bücher und ermöglicht einem, Interviews, die Juul, in den verschiedensten Medien gegeben hat, noch einmal nachzulesen. Hier könnt ihr den Newsletter bestellen. Wenn ihr den ganzen Artikel aus der SZ lesen möchtet, müsst ihr die PDF ("Der sichere ... PDF) im Anhang des aktuellen Newsletters herunter laden.

Auch mit chronischer Handverkrampfung immer schön fröhlich bleiben

Uta

Mittwoch, 13. Juni 2012

Glückliche Familie Nr. 53: Die Gähn-Attacke


Man soll ja mit seinen Kindern etwas unternehmen, mit ihnen spielen, basteln, bauen, vorlesen, backen.

Es gibt aber Spiele, die sind für Erwachsene einfach furchtbar. Für mich zum Beispiel diese Spiele mit einem "Pädagogisch wertvoll"-Siegel. Ihr wisst schon: alles in dem Karton ist recycelbar, die Holzfiguren sind bienenwachsgeölt. Jede Ecke, jede Kante ist waldorfpädagogisch abgerundet. Und die Spielanleitung wurde geprüft von Erziehungswissenschaftlern und ihrem Stab beflissener, noch kinderloser Studentinnen. Das Spielbrett ist von einer warmen Buntheit, das Design inspiriert von evangelischen Kirchenbazaren, die Regeln sind schlicht und gewaltfrei.

Noch vor drei oder vier Jahren wollte Prinzessin (11) solche Spiele spielen. Aber ich hatte schon die erste Gähn-Attacke, wenn sie die ersten Vögelein neben die Bäumelein auf die Äckerlein stellte. "Los, Mama, du bist dran." - "Echt?" Ich riss meinen Blick los von der Zeitung, die ich verstohlen auf dem Stuhl neben mir las. "Entschuldige, Schatz."

Furchtbar sind auch viele Erstlese-Bücher, die unter den Altersangaben 6 - 8 oder 8 - 10 in den Regalen der Buchhandlungen stehen. Fast immer war ich enttäuscht von diesen Büchern. Da freut man sich, dass es mit dem Lesen endlich losgeht und dann langweilen einen einfältige kleine Schuldetektive, die den bösen Hausmeister beim Vergiften von Goldfischen belauern. Der Wortschatz ist höchstens ein Schätzchen. Das Spannendste ist noch, eine rote Folie auf ein verschlüsseltes Wort am Buchende zu lesen und dann gemeinsam zu buchstabieren: "Hausmeister." Potzblitz.

Aus einem Vortrag des Hirnforschers Manfred Spitzer kenne ich folgendes Beispiel für einen inspirierenden Umgang schon mit ganz kleinen Kindern:
Ein junger Mann, wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Philosophie-Lehrstuhl, ist Vater geworden. Der Säugling liegt bäuchlings auf seinem Arm, in der anderen Hand hält Vater eines der Werke Immanuel Kants und liest dem Kleinen begeistert daraus vor.
"Was für ein Schwachsinn", könnte man denken. Was soll ein so kleiner Wurm verstehen vom Kategorischen Imperativ? Manfred Spitzer aber versichert, der junge Vater tue genau das Richtige.

Heute kann man mit Elektroden an der Kopfhaut die Gehirnaktivität messen. In der Situation Säugling mit Vater und Immanuel Kant lässt sich - so Spitzer - im Gehirn des Kleinen geradezu ein Feuerwerk an Aktivität nachweisen.

Und wovon genau wird dieses Feuerwerk entzündet? Von Immanuel Kant? Von dem sprachlich hohen Anspruch seines Werkes? Nein.


B + B = Bindung + Begeisterung

Der junge Vater macht zwei Dinge goldrichtig.

Erstens schenkt er seinem Kind Nähe, engen Körperkontakt.
Zweitens ist er begeistert von dem, was er tut.

Natürlich versteht der Säugling die Sätze noch nicht. Aber sein Gehirn, das von der ersten Minute seines Lebens darauf ausgerichtet ist, Strukturen aufzuspüren, wird schon mal gewöhnt an eine sehr anspruchsvolle Satzmelodie.

Und schon die ganz Kleinen spüren Emotionen. "Ah, Papa ist schwer begeistert, das könnte auch was für mich sein."



Prinzessin vor 10 Jahren aufgewachsen mit Papas Begeisterung für  "Tim-und-Struppi". Heute haben beide eine Schwäche für die Fälle von Martin Walkers "Chef de police" .

Bindung und Begeisterung, eine unschlagbare Kombination im Umgang mit Kindern.

Und was machen wir? Wie oft quälen wir uns mit Dingen, die uns so gar nicht inspirieren und zwingen uns, sie zu machen, weil sie so lehrreich sein sollen für unsere Kinder? "Wie hobbylos ist das denn!", würde Kronprinz dazu sagen.

Wir stecken unsere Kleinen in Kitas, die mit Frühenglisch werben oder einem Labor für erstes Experimentieren. Wenn aber der Betreuungsschlüssel nicht stimmt und die Kinder nur noch in Schach gehalten werden von überlasteten Erzieherinnen, die sich nach der nächsten Rauchpause sehnen, dann macht das Frühenglisch einen guten Eindruck im Flyer, aber sonst gar nichts.

Bindung und Begeisterung, welch schöner Auftrag für unser Leben mit den Kindern.

Weg mit all dem Krampf. Tut, was euch begeistert, und bezieht eure Kinder damit ein.

Utas Lust-Liste:
  • Badminton spielen
  • Wildwasserbahn fahren
  • "Ligretto" spielen, endlich mal ein Kartenspiel mit Action, kein blödes Warten auf den, der geschlafen hat, weil alle gleichzeitig dran sind
  • aus Andreas Steinhöfels Buch "Dirk und ich" oder aus den Jeremy-James-Büchern von David Henry Wilson im großen Bett zusammen lesen (für uns nicht mehr aktuell, aber toll im Grundschulalter)
  • Beauty-Abend mit Prinzessin (11), Schwimmkerzen in der Wanne, Pflegekur für die Haare, sich gegenseitig die Nägel lackieren
  • zusammen selber Pizza backen
  • Schlittschuhlaufen auf der Freiluft-Eisbahn oder einem Elbeseitenkanal
  • aufregendes Wandern mit Kletterpassagen
  • Karaoke-Singen
  • auf langen Autofahrten ???-Fragezeichen-CDs hören und Peter Shaw imitieren

Habt ihr Lust, auch so eine Liste anzulegen und mir zu schicken?

Immer schön fröhlich bleiben

Uta

Samstag, 9. Juni 2012

Glückliche Familie Nr. 52: Das Schwimmabzeichen


Es entsteht so viel Elend in Beziehungen, weil Menschen glauben, der andere sei ihnen etwas schuldig.

Die Frau, die glaubt, ihr neuer Freund sei ihr Liebe schuldig ... anstatt selber Liebe zu geben, überzulaufen, sie zu verströmen.

Der Sohn, der glaubt, sein Vater sei ihm Anerkennung schuldig und ihn deshalb nicht besucht ... anstatt hinzufahren, die Vergangenheit gemeinsam zu entsorgen und zu gucken, was er heute seinem Vater geben könnte.

Ich denke viel daran herum, wie ich unsere Kinder vor dieser elenden Haltung schützen kann.

Ich wünsche mir, dass sie Erwachsene werden, die sich verströmen, die so voller Liebe und Möglichkeiten sind, dass sie jede Menge davon abgeben können und nicht immer fragen:
"Und was bekomme ich?"

Die Tochter einer Freundin wollte ihr Goldenes Schwimmabzeichen im Sportunterricht machen. Sie absolvierte die geforderten Bahnen in der verlangten Zeit. Die Sportlehrerin hatte aber eine andere Zeit gestoppt und verweigerte Rebecca das Abzeichen. Aller Protest half nichts. Wütend kam Rebecca nach Hause. Meine Freundin tröstete ihre Tochter und sagte, dass sie kein Aufhebens mehr darum machen, sondern die Prüfung einfach noch mal wiederholen solle. "Rebecca, du hast das drauf. Zeig es ihr einfach beim nächsten Mal." Und so kam es auch.

Ich bewundere diese Haltung. Man hätte sagen können, dass die Lehrerin es den Kindern schuldig ist, fair zu sein und alles zu tun, um sie zu motivieren. Man könnte Jahre später noch erzählen, wie ungerecht Rebecca damals im Schwimmbad behandelt wurde und daraus die Rechtfertigung ableiten, warum das Kind begann, Schwimmen zu hassen, eine Chlorallergie bekam, alles Zutrauen in sich verloren hat, deshalb keinen Job, keinen Mann, kein Glück findet.

Ihr lacht vielleicht, aber es gibt zuhauf Menschen, die sich solche Rechtfertigungsgeschichten erzählen und irgendwann selbst glauben, im Leben nicht durchstarten zu können, weil ihnen vor zwanzig, dreißig, vierzig ... Jahren ein Unrecht widerfahren ist.


Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit - wie man bei Eric Kandel sieht. In der Schule wurde er von allen Kindern geschnitten, weil er Jude war.  Als Zehnjähriger floh er mit seinem Bruder vor den Nazis in die USA. Er wurde Gedächtnisforscher und wurde für seine Arbeit im Jahr 2000 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.




"Möge ich mein Licht anzünden in der Dunkelheit,
meine Lebensfreude versprühen in all der Angst.
Möge ich nicht Trost wollen, sondern trösten,
nicht Verständnis wollen, sondern verstehen,
nicht geliebt werden wollen, sondern lieben."

(aus dem Friedensgebet von Maria u. Stephan Craemer, frei nach Franz von Assisi)




Immer schön fröhlich bleiben

Uta

Mittwoch, 6. Juni 2012

Glückliche Familie Nr. 51: Betreuungsgeld für Indianer


Ich suche ja immer nach den Dingen, die uns glücklich machen. Was mich sehr glücklich macht, ist einmal in der Woche abends zum Stepptanzen zu gehen. "Riverdance" im Vorort bei Astrid, die unten im Keller ihres Hauses ein privates Tanzstudio betreibt und oben vier Kinder groß zieht.

Das Tanzen ist schön. Fast genauso schön ist es, dass wir danach zusammen sitzen und Fruchtgummi-Herzen essen oder die leckeren Balsamico-Chips, die Brigitte manchmal mitbringt.
Wir leben wirklich in Balance. Die Kalorien, die beim Tanzen verloren gingen, knuspern wir schnell wieder drauf.

Vergangene Woche sprachen wir dabei über den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Carina meinte, dass sie früher dagegen gewesen wäre, Kinder in die Betreuung zu geben, aber heute würden das ja alle machen. Und es bleibe einem nur noch, dafür zu sorgen, dass die Betreuung wenigstens qualitativ gut sei.

Wir starrten in die Chips-Reste in der Tupperschüssel. Selten habe ich nach dem Tanzen einen solchen Trübsinn empfunden.

Ich konnte es nicht lassen über Bindungstheorie zu referieren und auszurufen, dass unsere Gesellschaft immer kränker werde, immer mehr Leute Depressionen entwickeln oder Burn out haben, weil wir nicht mehr im Einklang mit unseren sozialen und gesundheitlichen Bedürfnissen leben.

Es ist nicht gut, wenn mich der missionarische Eifer packt. Ich werde moralinsauer und besserwisserisch. Nicht machen, Uta. Stopfe dir lieber den Mund voll mit Fruchtgummi-Herzen.

Außerdem brauchte ich niemanden zu überzeugen. Meine Mittänzer waren alle bei ihren Kindern zu Hause, als sie klein waren.

Wir saßen um die Tupperschüssel rum als wäre das ein Lagerfeuer und wir wären steinalte Indianer, die nicht verhindern können, dass die Eisenbahn in die Prärie kommt.

Zu Hause suchte ich ein Buch heraus: Jean Liedloff "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück. Gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit."

Die Amerikanerin Jean Liedloff hat als Model in Paris gearbeitet, hat diese Arbeit aufgegeben, um mehrere Expeditionen in den südamerikanischen Urwald zu unternehmen. Dort traf sie auf die Yequana-Indianer und lebte insgesamt zweieinhalb Jahre bei ihnen. In ihrem Buch beschreibt sie, wie eng und selbstverständlich die Yequana mit ihren Kindern zusammen leben und arbeiten, dass die Kleinsten bei ihren Eltern schlafen, ständig getragen würden von Mama, Tante, Oma oder Freundin und alle fröhlich ihren Aufgaben nachgingen.

"Der zwanglose, selbstverständliche Kontakt von Kindern zu Frauen, die einer nicht-kindbezogenen Arbeit nachgehen ..., zu Männern sowie zu anderen Altersgruppen ist in zivilisierten Gesellschaften unüblich. Diese Fülle bzw. dieser Mangel spiegele sich wider im Verhalten sowie der Gesundheit der Menschen (nicht nur der Kinder) in evolvierten bzw. zivilisierten Gesellschaften." (aus einem Wikipedia-Artikel über Jean Liedloff, aber lest lieber das ganze Buch, es lohnt sich) 

Nennt mich eine Sozialromantikerin, schreibt mir, dass wir nun mal nicht leben können wie venezuelanische Indianer. Das ist alles richtig.

Aber wir "Zivilisierten" dürfen uns auch nicht verleiten lassen, unser Gespür für unsere Bedürfnisse und für die Bedürfnisse unserer Kinder verschütten zu lassen von der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erwartung, dass immer mehr Eltern Vollzeit arbeiten und selbst Kleinstkinder ganztägig in eine Krippe geben sollen.


Großstadtindianerin Uta vor 14 Jahren mit Kronprinz auf dem Weg zur Wasserstelle (Getränkemarkt).


Wir gut ausgebildeten Frauen wollen zu Hause nicht versauern. Wir wollen Kinder haben und unserer Berufung nachgehen dürfen.

Aber wenn wir meinen, wir müssten alle auf Gedeih und Verderb bald nach der Geburt eines Kindes wieder Vollzeit arbeiten, fallen wir von dem Pferd, auf das wir gestiegen sind, auf der anderen Seite wieder herunter.

Lasst uns kreativ sein und wirklich neue Ideen entwickeln anstatt zu Männern zu mutieren, die irgendwann in ihrer Karriere auch mal ein Kind entbunden haben.

Ich habe gelesen, dass Mütter in Schweden einen Betreuungsgutschein bekommen. Sie können entscheiden, ob sie diesen einsetzen, um eine Tagesmutter zu beschäftigen, ihr Kind zeitweise in eine Krippe geben oder sich das Geld auszahlen lassen, weil sie ihr Kind selbst betreuen möchten.

Das nenne ich Wahlfreiheit.

Und natürlich brauchen Kinder aus Migrantenfamilien eine hochwertige und frühe Förderung in einer Krippe oder Kita. Aber das ist doch ein ganz anderes Thema. Das würde ich komplett entkoppeln vom Betreuungsgeld.

Als junge Journalistin waren ich zusammen mit einer schwangeren Fotografin auf Recherche-Reise. Ehrgeizig und kinderlos wie ich war, fragte ich sie: "Du willst doch sicher bald nach der Geburt deines Kindes wieder arbeiten, oder?" Daraufhin sie: "Ich weiß es nicht. Ich weiß ja noch nicht, was für ein Kind ich bekomme."

Immer schön fröhlich bleiben

Uta


PS: Ich schlage das Wort "Herdprämie" als Unwort des Jahres 2012 vor.

Dienstag, 5. Juni 2012

Glückliche Familie Nr. 50: Koch und Klön


Heute starte ich ein Pilot-Projekt. Es heißt "Koch und Klön" und ist aus der Absicht entstanden, mich mit meiner Freundin Christiane zu verabreden. Wir fanden so recht keinen Termin für Kino, Glas Wein oder Latte Macchiato. Da kamen wir auf die Idee, uns am späten Vormittag zu treffen und zusammen Mittagessen zu kochen. Ich stelle die Zutaten, sie bringt noch einen Topf mit. Dann können wir zusammen schnibbeln, dabei klönen und haben - wenn wir uns ausgequatscht haben - ein super Mittagessen fertig. Christiane fährt mit dem fertigen Eintopf wieder nach Hause. Die Kinder werden nach der Schule einer entspannten Christiane um den Hals fallen, die auf die Frage "Was gibt es, Mama?" wie aus der Pistole geschossen antworten wird: "Garnelen-Curry mit Chilli mit einem Hauch Kurkuma an Basmati-Reis". In der Küche wird sich der Duft einer chinesischen Garküche entfalten und trotzdem wird es sein, als wäre Christiane nie weg gewesen.


Jetzt fällt mir auf, es gibt kaum etwas zu schnibbeln. Aber es ist ja auch unser erstes "Koch und Klön". Und wenn wir alle Dosen aufgemacht und miteinander verrührt haben, werden wir wohl doch ausgiebig Kaffee trinken.

Ihr fragt Euch, wieso es bei uns schon wieder schnelles Garnelen-Curry mit Chilli gibt. Das liegt daran, dass ich noch erschöpft bin von der Spargelpfanne neulich. Und das Garnelen-Curry, das kann ich jetzt, die Kinder essen es und ich werde es gnadenlos variieren mit Pute, Hühnchen, Hackbällchen, Rindfleisch, Seelachs, Pferd .... Wenn Christianes Kinder das auch essen, wird das ganze Viertel mit Garnelen-Curry überzogen. Ich nehme heute übrigens die kleinen Garnelen in Salzlake aus dem Supermarkt, die sind nicht so teuer.

Die zweite Folge von "Koch und Klön" wird bei Christiane stattfinden. Sie will einen portugiesischen Eintopf kochen. Ich werde berichten.

"Koch und Klön" ist übrigens meine Antwort auf die Betreuungsgeld-Debatte.

Aber dazu morgen mehr.

Immer schön fröhlich bleiben

Uta

Freitag, 1. Juni 2012

Glückliche Familie Nr. 49: Pubertät und Tröstliches



Eine Bilder-Geschichte




Von Zeit zu Zeit nehme ich alte Karten von unserem Band im Flur und hefte Neue dran. Alte Karten schmeiße ich weg.



Gestern Morgen fand ich diesen Zettel und die Geburtstagkarte meiner Eltern, die im Papierkorb gelandet war, auf dem Küchentisch wieder. Kronprinz (14 dreiviertel) hatte die Karte gerettet und den Zettel dazu gelegt.



Ich freute mich noch einmal über die Karte und ich freute mich über Kronprinz.




Unsere Jungs, vor Kraft strotzend, cool und innen butterweich (nein, kein Motorsägen-Massaker wegen Karten vernichtender Mutter, sondern Kronprinz kurz vor dem Heckeschneiden). 


Häufig mache ich mir Gedanken: Sitzt er zu viel am Computer? Müsste ich darauf achten, dass er mehr für die Schule tut? Sollte ich ihn stärker dazu drängen, im Haushalt zu helfen? 

Und dann gibt es solche Momente wie der mit der geretteten Karte und dem Zettel. Dann weiß ich: alles ist gut, vor allem er. 

Folgende Erkenntnisse habe ich im vergangenen Jahr aus einem Vortrag von Professor Schulte-Markwort, Direktor der Jugendpsychiatrie an der Hamburger Uniklinik, mitgenommen:

  • Kinder in der Pubertät, mögen sie noch so cool daher kommen, brauchen Trost.
  • Depression ist bei Jugendlichen ein viel häufigeres Problem als ADHS oder Computersucht.
  • "Stabile Beziehungen und stabile Bedingungen bringen stabile Kinder hervor." (Schulte-Markwort)


Immer schön fröhlich bleiben

Uta