Freitag, 30. März 2012

Glückliche Familie Nr. 29: Jungs verstehen


Wenn ich unsere Regentonne sehe, muss ich immer daran denken, wie Kronprinz damit experimentiert hat, als er elf oder zwölf Jahre alt war. Am unteren Rand ist ein durchsichtiger Schlauch befestigt. Er ist nach oben gebogen und dort festgeklemmt. Am Schlauch kann man immer den aktuellen Wasserstand in der Tonne ablesen. Unser Sohn musste den Schlauch oben lösen und sehen bei welchem Neigungswinkel das Wasser daraus schießt. Häufig stand unsere halbe Einfahrt unter Wasser. An seinen brackigen Hosenbeinen war ebenfalls der Wasserstand in der Tonne ablesbar. Aber als in Physik das Gesetz von den kommunizierenden Röhren dran kam, hatte er damit keine Schwierigkeiten.

Jungen entdecken die Welt durch Handeln, schreibt die Lerntrainerin Vera Birkenbihl.

Bei Mädchen gilt:
  1. sich auskennen
  2. dann damit experimentieren
Bei Jungen gilt:
  1. experimentieren
  2. sich dann damit auskennen
In Schwaben sagte man früher zu Kindern, die alles anfassten: "Gucken tut man mit den Augen."
Liebe Schwaben! Kinder sind so. Die müssen mit den Händen gucken dürfen, besonders die "Buben". 

Dass Jungen nicht genug experimentieren können, ist einer von mehreren Gründen, warum Jungs im Durchschnitt mehr Schwierigkeiten in der Schule haben als Mädchen.

Ich könnte zehn weitere Blogs füllen mit den Erfahrungen von Eltern, deren Söhne phasenweise in der Grundschule nicht zurecht kamen.

"Unser Lasse kann sich einfach nicht konzentrieren." "Stillsitzen ist für meinen Tim die Hölle." "Im Ranzen von Paul sieht es aus als wäre er ein tragbarer Mülleimer."

Ein weiterer Grund für die Schulschwierigkeiten von Jungs ist, dass sie sich dort nicht genug bewegen können. Bei Jungen beträgt der Anteil der Muskeln an der Körpermasse 40 Prozent, bei Mädchen sind es nur 24 Prozent. Besonders Jungen im Grundschulalter sind programmiert auf Bewegung. Tun sie es nicht, verkümmern ihre Muskeln.

Vera Birkenbihl nennt Jungs "Augentiere". Noch aus ihren Zeiten als Jäger seien sie auf Spurenlesen eingestellt und bis heute viel besser darin, Informationen aus Bildern aufzunehmen als zu hören. Hier liegt der dritte Grund für Schulschwierigkeiten unserer Söhne. Mit Vorträgen können sie nicht viel anfangen. Sie bekommen nicht genug visuelles Futter.

Die Erkenntnisse lassen sich auf folgenden Nenner bringen:

Männliche Körper wollen nicht stillsitzen.
Männliche Hirne wollen nicht von vorne zu gequatscht werden. 

Leider genau das, was in der Grundschule überwiegend passiert.


Was können wir als Eltern zum Ausgleich tun:
  • erst einmal ruhig Blut: Wenn man weiß, wie Jungen ticken, kommt man viel besser damit klar. 
  • Zu Hause in einem Korb bereitliegen haben zum Beispiel:




Außerdem: Jonglierbälle, Softball, Eimer, in den man hineintreffen muss, kleiner Basketballkorb für die Zimmerwand, Hula Hoop.

Der Kronprinz fährt gerne mit dem Waveboard um den großen Esstisch. Aber das ist nicht jedermanns Sache. Meine eigentlich auch nicht.

Immer fröhlich vor allem die Jungs in Bewegung halten.

Eure Uta

Mittwoch, 28. März 2012

Tipp für Zwischendurch: Schreiblust bei Kindern


Immer wieder erschreckt es mich, wie oft Schüler in der 5. Klasse des Gymnasiums mit einer Fünf nach Hause kommen. In Mathe oder Sachkunde, wenn die Punktzahl nicht erreicht ist, okay. Beim Vokabeltest, für den überhaupt nicht gelernt wurde, na klar. Aber in Deutsch für eine selbst geschriebene Geschichte?

Meine Beobachtung ist, dass es häufig die Junglehrer sind, die mit frischem Schwung eine Fünf unter eine Arbeit setzen. Beim Elternabend hat man eine dynamische, junge Frau vor sich, die erzählt, wie reizend sie die Klasse findet. Und wenn sie zu Hause allein ist mit den Heften, dann massakriert sie die Texte mit ihrem roten Fineliner.
Lernen die das an der Uni? Gibt es da Kurse "Schüler entmutigen in drei Schritten" oder "Lernfreude - das überschätzte Gefühl"?

Liebe Deutsch-Lehrerin, Sie können gnadenlos streng zensieren bei Grammatik. Eine Fünf für Fehler beim falschen Gebrauch des Perfekt, geschenkt. Aber ein Märchen, selbst weitergesponnen, mit Überschrift versehen, mit Hexen, Feen und einem in einer Höhle verschütteten Prinzen ... mangelhaft?

Wenn Kinder, die jünger als 16 Jahre sind, etwas mit Herzblut schreiben, ist das heilig. Verstanden?

Liebe Fachleiter in Deutsch, ordnet an, dass mit den Kindern gelesen und geschrieben wird, dass es eine Freude ist. Stellt in den Klassen Schatzkisten auf, in denen Texte gehütet werden. Sammelt ihre schönsten Werke und bringt sie als Buch heraus. Macht einen Stempel über jeden Text, den ein Kind mit Liebe geschrieben hat:


Achtung! Eigener Text, Schreibreservat. Kein Zutritt für rote Stifte.
Robin understood
Ihre Organisation für den Schutz von Kindergeschichten 


In Deutsch hat unsere Prinzessin (11) weiterhin das Thema Märchen. Vor einigen Tagen bekam sie die Hausaufgabe, ihr Lieblingsmärchen vor der Klasse vorzustellen. Sie hatte sich entschieden für "Schneeweißchen und Rosenrot" von den Gebrüdern Grimm. Aber nach dem entmutigenden Ausgang der Deutscharbeit über Märchen lag ihre Motivation erbsengroß unter zehn Matratzen.

Ich möchte hier dokumentieren, was Eltern tun, um die Freude an deutschem Kulturgut wieder zu erwecken.

Mutter: Liebes, komm raff dich auf. Märchen sind doch was Tolles. Ich habe immer gern Märchen gelesen.
Vater: Zum Beispiel "Der gestiefelte Kater", das mochte ich immer besonders gern. 
Tochter: Ja, duuuuuuuu. 
Mutter: Wenn du einmal mitten in der Geschichte drin bist, wirst du es auch mögen.
Tochter: Ich habe im Internet einen "Schneeweißchen-und-Rosenrot"-Film gesehen. Da sind die Prinzen Jäger und werden in einem Stollen verschüttet und da gibt es einen Jugendlichen, mit dem sich die Mädchen anfreunden. Das ist viel spannender als das lahme Märchen von den Brüdern Grimm oder wie die heißen.
Mutter (streckt sich): Anfang des 19. Jahrhunderts waren Jacob und Wilhelm Grimm etwa so beliebt wie bei euch heute ...  Boss und Hoss.
Tochter: "Die heißen 'The BossHoss'." 
Mutter: Ja, dann eben die. Aber die Gebrüder Grimm sind viel berühmter.
Tochter: Ich hasse Deutsch. 

Jetzt habe ich mein Hütchen gekühlt und kann Euch mit klarem Kopf einen Tipp für Zwischendurch geben.

Auch wenn Ihr Euch über eine Note ärgert, die Euer Kind bekommen hat, und Ihr sie für ungerechtfertigt haltet,
  • fechtet die Benotung nicht an. Es gibt nichts Sinnloseres als Besserwisser-Gefechte zwischen Lehrern und Akademiker-Eltern ("Frau Soundso, da ich ja auch mal Deutsch studiert habe, möchte ich darauf hinweisen ..."). Nicht machen!
  • in einem günstigen Augenblick könnt Ihr der Lehrerin ein Feedback geben. "Prinzessin hat das ganz schön getroffen. Vielleicht können Sie sie bei nächster Gelegenheit mal ermutigen, damit sie wieder mehr Spaß am Deutschunterricht hat."
  • vor allem aber dem Kind vermitteln, dass es größer ist als all das: Schule, Lehrer, Noten ...
  • dem Kind vermitteln, dass Werturteile anderer Menschen nur wichtig sind, wenn sie ihm weiterhelfen, sonst kann es sie in die Tonne tun
  • dem Kind vermitteln, dass eine Note nie in der Lage sein wird, auch nur eine winzige Aussage darüber zu treffen, wer es ist und wozu es fähig ist
  • dem Kind ein schönes Tagebuch kaufen, damit es Lust bekommt am Schreiben ohne erwachsene Einmischung
  • zusammen begeistert die Bücher lesen, die man selbst am meisten liebt


Immer schön fröhlich weiter schreiben und lesen

Uta

Noch ein Buch-Tipp zu dem Thema:

Freedom Writers. Wie eine junge Lehrerin und 150 gefährdete Jugendliche sich und ihre Umwelt durch Schreiben verändert haben. Von den Freedom Writers mit Erin Gruwell. Berlin 2007 (hier findet Ihr was darüber)

Dienstag, 27. März 2012

Glückliche Familie Nr. 28: Helm-Kamera


Der Sohn (13) unserer Nachbarn hat zum Geburtstag eine Helm-Kamera geschenkt bekommen. Das ist eine Video-Kamera, die man auf den Fahrradhelm, auf ein Snowboard oder sonst wohin klemmen kann, um die rasantesten Fahrten aufzunehmen.

Wenn etwas den Titel "Glücklichmacher" verdient hat, dann dieses kleine Gerät. Kaum war das erste Stück Torte verdrückt, haben sich das Geburtstagskind, Kronprinz (14) und zwei Freunde auf den Weg gemacht. Bei Einbruch der Dunkelheit kehrten sie heim: die Gesichter in einem frischen Rot, der Bauch leer, die Waden hart. Und Kronprinz trug den Duft, den ich am liebsten an Männern mag: Fahrtwind von draußen.

Am Sonntag kam ich um 9 Uhr 30 vom Brötchenholen zurück. Das Bett vom Kronprinz verlassen, die Dusche trocken. Ich guckte hinter der Tür, am Computer, an der Playstation. Nirgendwo ein Thronfolger. Werden jetzt schon Mittelstandskinder entführt? Um die Zeit beginnt sonst seine zweite Tiefschlafphase.
Ich raste runter zu meinem Mann. "Alles gut", sagte er, "sie sind wieder mit der Helm-Kamera unterwegs."

Dieser Film ist dabei entstanden. Wollt Ihr mitfahren?




Ein herzliches Dankeschön an die unbekannte Fußgängerin, die sich - ohne die Jungs anzumeckern - an die Mauer drückte!

Immer schön fröhlich bleiben


Uta


PS: Bei einer Helm-Kamera haben Eltern ein schlagkräftiges Argument, dass das Kind wieder einen Helm trägt. 

Freitag, 23. März 2012

Glückliche Familie Nr. 27: Dankbarkeit


"Danke, dass ich da sein durfte." Eric (11) steht in der Haustür und verabschiedet sich nach einem Nachmittag mit Prinzessin (11).

"Danke, dass ich da sein durfte." Das höre ich auch Prinzessin sagen, wenn ich sie von einer Verabredung abhole.

Das hat sich seit einiger Zeit eingebürgert. Sie können einen Nachmittag verbracht haben, an dem ein Schimpfwort das andere gab oder Rülpswettbewerbe stattgefunden haben. Und dann nehmen sie ihre Jacke und sagen: "Danke, dass ich da sein durfte."

Dieser Ausbruch an Höflichkeit irritiert mich jedes Mal. Ist das eine regionale Besonderheit oder sagen das auch die schlimmsten Lümmel in Bayern? Wahrscheinlich waren sie Rauchen hinterm Schuppen, verscharren noch kurz die Kippen und sagen der Gastmutter zum Abschied: "Danke, dass ich da sein durfte."

Wir Eltern von heute haben diese formelhafte Höflichkeit ja längst überwunden. Wer früher einen Knicks bei Tante Hannelore machen und sich für das zehnte Aussteuerhandtuch bedanken musste, verfällt bei der Erziehung der eigenen Kinder leicht ins Gegenteil. Sich zu bedanken, wird schnell als spießig empfunden. Nur wenn die Freude drei Bewusstseinsebenen tief gefühlt wird, dürfen Kinder "danke" sagen.

Wo soll denn dieser Post jetzt hinführen? Soll man Kindern beibringen "Danke"-Formel runter zu rattern oder soll ich Prinzessin zur Seite nehmen und sagen: "Schatz, sage so etwas nur, wenn es authentisch ist."

Dankbarkeit ist eine wichtige Grundhaltung im Leben. Wer sich bedankt, gibt dem Gefühl Ausdruck, beschenkt worden zu sein. Und es funktioniert auch andersherum: Weil ich mich bedanke, entsteht ein Gefühl des Beschenkt-worden-Seins. Ich kann mich damit selber froh machen.

Dank ist außerdem Anerkennung. Und Beziehungen aller Art funktionieren nur bei gegenseitiger Anerkennung.

Ich würde meine Kinder nie zwingen, sich für ein völlig achtloses Geschenk zu bedanken, nur damit die Form gewahrt wird. Aber natürlich erinnere ich sie daran, Oma und Opa anzurufen, wenn die zum Geburtstag liebevoll ein Päckchen geschnürt haben mit Geschenk und Karte oder sogar einem selbst gebackenen Kuchen.


Guckt mal, wofür ich gerade dankbar bin. Meine Schwester Nummer 1 hat mir diese Hausschuhe selber gemacht. Sie sind aus Filzwolle gestrickt und in der Waschmaschine verfilzt. So schön! Danke.


Auf die Spur der Dankbarkeit bringt man Kinder am wirksamsten, wenn sich Eltern auch bei ihren Kindern bedanken. Natürlich nicht für jede Kleinigkeit. Das nutzt sich ab.
Aber neulich habe ich mich bei Prinzessin in einem stillen Moment dafür bedankt, dass sie so unkompliziert ist. Wenn wir als Familie etwas unternehmen und die Männer wollen Currywurst und Prinzessin will Kaugummi-Eis, dann ist sie oft diejenige, die einlenkt und sagt: "Komm, dann nehme ich auch eine Currywurst."

Man neigt dazu, so etwas für selbstverständlich zu halten, und stürzt sich lieber auf die Defizit-Meckerei. Aber Prinzessin hat sich sichtlich über meine Anerkennung gefreut.

Ich erlebe auch Phasen der Dankes-Dürre. Wo ich denke, Mensch, was habe ich mir für eine Mühe gegeben und die Brut nimmt alles selbstverständlich. Aber dann höre ich plötzlich "Danke" in Momenten, in denen ich gar nicht damit gerechnet habe. Neulich wollte ich die Salatschleuder in den Schrank räumen, als Prinzessin von hinten kam, mich umschlang und völlig unvermittelt sagte: "Danke, dass Du meine Mama bist." ... ach Mensch, dabei hatte ich die Schleuder gerade erst abgetrocknet, schnief ...

Immer schön dankbar sein


(Die Hausschuhe von unten, damit ich nicht ausrutsche.)













Mittwoch, 21. März 2012

Tipp für Zwischendurch: Medienfreier Tag


Heute hängt dieses Schild an unserem Kühlschrank.





"Medienfrei" bedeutet: 
  • keine Computer-Spiele
  • keine Playstation
  • keine Videos gucken auf dem i-Pod oder i-Pad (hoffentlich erfindet keiner ein i-Pud)
  • kein Nintendo-DS
Den ganzen Tag, keine Ausnahme. Da bin ich knallhart. (Kronprinz, hallo, haben wir uns verstanden? Was machst Du überhaupt im Internet? Mein Blog ist heute auch verboten!)

Das Medium Buch ist natürlich erlaubt. Und wenn jemand ein selbst geschriebenes Märchen kalligraphieren möchte, bitte. Dazu würde ich sogar Cola-Light und Pringels reichen.

Ich bin mehr der Typ für die größeren Pausen:
keine Medien (siehe Liste) einmal pro Woche, keine Medien im Urlaub.

Damit komme ich besser klar als mit täglichen Stundenregelungen. Wir haben zwar überall, wo Junk-Medien stehen eine digitale Eieruhr liegen. Aber Ihr kennt die Spielchen: "Och, ich habe ganz vergessen, auf den Startknopf zu drücken." - Och, ich habe das Piepsen gar nicht gehört." - "Ich muss nur noch schnell auf den Vertretungsplan gucken." - "Siehst Du nicht, dass ich an meinem Referat arbeite?"

Neulich hörte ich, dass Prinzessin bei einem Playstation-Spiel gestorben war. "Prima", sagte ich, "dann kannst Du ja jetzt aufhören." - "Ne, wieso, ich hab' doch noch vier Leben."

Ich habe nur ein Leben. Und das möchte ich definitiv nicht damit verbringen, immer auf die Uhr zu gucken und die Computer-Aktivitäten meiner Kinder zu überwachen. 

Mit so einem medienfreien Tag darf man sie natürlich nicht hinterrücks überfallen. Da setzt man sich familienkonferenzmäßig zusammen, guckt betroffen und handelt den Tag und die Bedingungen aus.

Immer schön fröhlich bleiben

Uta






Montag, 19. März 2012

Glückliche Familie Nr. 26: Visionär sein


Es gibt eine Erkenntnis, die für mich in die "Top Ten" der Glücklichmacher gehört.

"Ihr Kind so zu behandeln, als wäre es bereits das, wozu es fähig ist, ist die effektivste Bestärkung eines gesunden Selbstbewusstseins."

Der Satz ist aus dem Buch "Glück der positiven Erziehung. So werden Kinder frei, kreativ und selbständig" von Wayne W. Dyer. Hier gibt es noch wenige Exemplare gebraucht.

Ich lege dieses Buch ab und zu auf unser kleines Schränkchen im Bad. Mein Mann und ich lieben es, immer wieder eine andere Stelle darin zu lesen. Es ist wie ein Mantra für uns. Es macht uns zu besseren Eltern.

"Ihr Kind so zu behandeln, als wäre es bereits das, wozu es fähig ist, ...."

Auf dem Weg in die Kinderzimmer ertappe ich mich manchmal bei Gedanken wie "Er hat bestimmt wieder nicht aufgeräumt" oder "Wetten, sie spielt Nintendo statt ihre Hausaufgaben zu machen". Sicher manchmal stimmen diese Sätze. Aber wenn ich nur noch solche Negativ-Erwartungen von meinen Kindern im Kopf habe, halte ich inne. Manchmal setze ich mich auch hin und schreibe auf, was alles gut läuft:

  • "Sandsack im Keller seit vielen Monaten nicht mehr benutzt. Aggressivität kein Thema mehr."
  •  "Prinzessin hat die Umstellung auf die neue Schule super gemeistert." 
  • "Ich hatte gedacht, Prinzessin wäre künstlerisch nicht interessiert. Jetzt hat sie das Malen für sich entdeckt."

Und dann gehe ich noch eine Stufe weiter und notiere Visionen für sie:

  • "Kronprinz wird seinen Weg souverän gehen. Er verfolgt seine Ziele mit hundertprozentigem Einsatz."
  • "Prinzessin weiß genau, was sie will. Sie wird ihre Stärken gezielt einsetzen."  

Wachsen dürfen, nicht gedeckelt werden


Vom anderen "eine höhere Vision zu haben, als er oder sie selber hat" (Maria und Stephan Craemer), das enthält eine ungeheure Kraft.

Seien wir Visionäre für unsere Kinder, für den Partner, für Schüler, die wir unterrichten, eigentlich für alle Menschen, mit denen wir es zu tun haben.

Immer schön fröhlich Visionen entwickeln.

Uta

Sonntag, 18. März 2012

Glückliche Familie Nr. 25: Fotografieren im Zoo


Ich bin gar nicht so ein Zoo-Fan, aber mit meiner neuen Kamera habe ich die Tiere diesmal viel intensiver erlebt. Was für eine Freude!

Die Fotos habe ich vergangene Woche im Züricher Zoo geschossen.

Affenkind - Menschenkind


Auch Affenmütter machen sich Gedanken: Was aus "Unser-Judy" wohl mal wird?


Das ist die lebenslustige Tante. Ist das ein Joint oder was?



Beim Fotografieren richtet man das Objektiv auf das Schöne, man hat den besonderen Moment im Focus,  das Glück im Sucher. 

Fotografieren ist der Glücklichmacher schlechthin.

Immer schön fröhlich fotografieren.

Uta



Freitag, 16. März 2012

Glückliche Familie Nr. 24: Selbstwirksamkeit


Wir haben ein anderes Auto und ein anderes Navigationsgerät. Bei unserer Rückreise hatte ich beides im Wechsel mit meinem Mann zu bedienen. Es funktionierte leidlich. Der Zielort muss bei diesem Navi durch das Drehen eines Rades eingegeben werden. "Mautstraßen meiden" findet sich auf einer ganz anderen Menü-Ebene. Zwischendurch möchte Kronprinz (14) von hinten seinen I-Pod über Bluetooth verbinden und hängt über der Mittelkonsole, weil Mama das ja nicht kapiert. Die ist gerade mit dem Knie an einen Knopf gekommen, der Lendenwirbelstützen aus der Sitzlehne herausfährt. Die Navi-Frau will, dass ich mich geradeaus halte, mein Mann sagt, ich solle den Media-Knopf drücken, Prinzessin will eine "???"-CD hören. Wo schiebt man die rein? In die Kopfstütze?

Wenn ich von allen Seiten Tipps bekomme, werde ich ganz matschig im Kopf. Dann kann ich gar nichts mehr.
In Höhe des Kölner Rings hatte ich den IQ-Wert unseres Airbags.

Da ist mir wieder klar geworden, welche große Bedeutung die "Selbstwirksamkeit" hat. Die Möglichkeit, die eigene Wirkung zu spüren, etwas in eigenem Tempo in Ruhe durch Ausprobieren zu lernen. Das Recht zu haben, Fehler zu machen und sie selber zu beheben.
Für Kinder ist das so wichtig, nein, für alle Menschen: die Erfahrung von Selbstwirksamkeit.

Bei unseren Nachbarn im Garten bekomme ich manchmal mit, wie die Oma ihre zwei Enkel, vier und sieben Jahre alt, im Garten beaufsichtigt. Die beiden möchten helfen und auch mal einen Ast abschneiden, aber Oma nimmt ihnen alles weg, weil es zu gefährlich ist. Sie meint es ja gut, möchte nicht, dass etwas passiert. Aber für das Selbstvertrauen der beiden Kinder wäre es toll, wenn sie mit anpacken dürften.

Als einer meiner Neffen klein war, prägte er den Satz "Alleine kann er's!".

Wenn wir das nächste Mal eine längere Autoreise machen, schleiche ich mich vorher ins Auto und programmiere ins Navi ein, dass die nette Frau alle fünf Minuten sagt: "Alleine kann sie's."

Ich habe unsere Kinder auf jede Mauer, jeden Baum klettern lassen, auf den sie wollten. Sie durften früh mit scharfen Messern schneiden, mit Feuer auf der Terrasse zündeln und mit Schirmen vom Gartenhaus springen.

Jetzt muss ich damit leben, dass die Brut alles besser kann und weiß.

Aber das ist es doch wert, oder?

Was erlaubt Ihr Euren Kindern? Holzspalten mit dem Beil? Springen vom 5-Meter-Turm? Allein zum Bäcker?
Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Was kann man wagen?

Immer schön fröhlich bleiben

Uta

Dienstag, 13. März 2012

Glückliche Familie Nr. 23: Gleichwürdigkeit


Vergangene Woche haben Prinzessin (11) und Kronprinz (14) ihr Erspartes zusammen getan und sich eine Playstation gekauft. Geburtstage, Weihnachten, Zeugnisgeld von Oma und Opa ... da war Einiges zusammen gekommen.

Als ich sie in den Elektronikfachmarkt fuhr, hatte ich einen Kloß im Magen. Tue ich das Richtige? Ist es gut, dass sie so viel Geld haben? Sollte ich sie nicht überzeugen, es für etwas Sinnvolles auszugeben? Bücher, Ausbildungsfond, Schreibtischstuhl, "Brot für die Welt" ...

Die Bewertung "sinnvoll" ist ja tatsächlich eine Frage des Standpunkts. War es sinnvoll, dass ich neulich unsere alten Stehlampen ausrangiert habe, um eine Design-Lampe zu kaufen?
Und sollten die beiden mit ihrem eigenen Geld nicht machen dürfen, was sie wollen? Fehlinvestitionen eingeschlossen?

Zwischen den Regalen mit i-Pads, i-Pods und Joysticks konnte ich den beiden kaum folgen. Drei Jungs im Grundschulalter standen wie paralysiert vor einem Bildschirm. "Was machen die?", frage ich den Kronprinz. "Die spielen Playstation." Na, super!

Als wir den Karton mit der Playstation samt Zubehör in den Kofferraum legten, machte Kronprinz die "Säge" und seine Schwester tanzte um ihn herum. Es war, als hätte er das Tor erzielt und sie vorher die Flanke geschossen.

Dass die Spielkonsole die Geschwister offensichtlich zusammen schweißen konnte, versöhnte mich mit ihrem Kauf und die Gedanken, die ich mir zu Hause darüber machte:

  • Verwöhnen im materiellen Sinne ist schädlich, wenn es ein Ersatz sein soll für Zeit mit und Nähe zu den Eltern. 
  • Kinder werden automatisch an dem Lebensstil teilhaben, den ihre Eltern pflegen. Ich halte wenig davon, wenn Eltern ihre Kinder künstlich knapp halten, wenn sie zum Beispiel zwei neue Autos fahren, aber ihren Kindern nur gebrauchte Fahrräder zubilligen. Solche erzieherischen Maßnahmen tragen den Charakter von "Ich erteile dir eine Lektion" und laufen der Idee von gleichwürdiger Beziehung zwischen Eltern und Kindern zuwider.
  • Wenn Kinder erleben, dass die Eltern sich regelmäßig neue Sachen gönnen, ist ihnen schwer zu vermitteln, warum sie verzichten sollen. Schnell sind wir als Eltern dann in einem Beziehungsgefälle und neigen dazu, den Kindern von oben herab zu dozieren, dass sie mit Geld noch nicht umgehen und noch nicht arbeiten können und dürfen. Das Kind wird in Defiziten wahrgenommen und auf diese hingewiesen. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern wird darunter leiden.
  • Das Vorbild der Eltern ist am wirksamsten. Wenn Kinder erleben, dass die Eltern sparen und großzügig sein können, begeistert arbeiten und sich genussvoll ausruhen können, wenn sie mal ins Hotel gehen, aber auch im Zelt schlafen können, nehmen sie viel für ihr eigenes Leben mit. Freudlose, vor Moral triefende Sparsamkeit kann genauso furchtbar sein wie nackter Materialismus. 

Immer schön fröhlich bleiben

Uta




Montag, 12. März 2012

Tipp für Zwischendurch: Job-Zettel


Manche Erkenntnisse kommen aus den Niederungen des Alltags. Denen möchte ich keinen "Glücklichmacher"-Status geben. Deshalb gibt es von Zeit zu Zeit einen "Tipp für Zwischendurch".

Am Abend vor unserer Abreise habe ich auf kleine Kärtchen Jobs für die Kinder geschrieben. Zum Beispiel "Mülltonnen von der Straße holen", "Spülmaschine ausräumen", "Süßigkeitendosen für die Reise füllen" und natürlich "das Katzenklo sauber machen".

Ich habe die Kärtchen auf dem Tisch ausgebreitet und jeder konnte sich seine Jobs aussuchen. Es wurde kurz verhandelt und getauscht und die ersten Sachen gleich erledigt. Da war ich wirklich baff.

Sonst bin ich immer ein wenig gereizt, wenn ich Koffer packe. Die Brut lümmelt bis eine Sekunde vor Abreise in ihren Zimmern herum, während die Eltern treppauf und treppab rennen, Pflaster zuschneiden, alle Fenster schließen und die Ersatzsocken für Prinzessin in den Koffer quetschen. Wenn die Kinder dann nicht "zeitnah" einen Koffer ins Auto tragen können, ist meine Urlaubsstimmung auf dem Nullpunkt.

Diesmal war es viel entspannter. Und das haben wir den Kärtchen zu verdanken. Jeder wusste, was er oder sie zu tun hatte. Ich musste nicht ermahnen oder rummeckern. Es schien den Kindern sogar Spaß zu machen, die Kärtchen abzuarbeiten.

Ja, ich habe eine Schwäche für solche Ideen, für Türklinkenschilder, Herzpunktelisten und fröhliche kleine Jobzettel. Kronprinz muss immer grinsen, wenn ich mit dem pädagogischen Basteln beginne.

Aber ich schreibe lieber fröhlich ein paar Zettel oder laminiere ein Motivationsschild als dass ich die genervte Mecker-Mutti gebe.

Immer fröhlich bleiben

Uta

Freitag, 9. März 2012

Glückliche Familie Nr. 22: Jetzt-Modus


Als mein Mann und ich gestern Abend in der Küche standen, kam Prinzessin (11) und schloss uns beide in die Arme. "Ich bin gerade im Schnuckel-Modus." So standen wir einen Moment. Ein Knubbel Familie neben dem Geschirrspüler.

Der "Schnuckel-Modus" hat mir zu Denken gegeben. Gerade bin ich ständig im "Erledigungs-Modus". Wir verreisen morgen. Und da gibt es viel zu erledigen, Listen zu führen, Sachen bereit zu legen, Besorgungen zu machen.


unsere Katzen im "Schnuckel-Modus"


Als ich heute morgen aufwachte, merkte ich, dass ich Freude auf die Liste setzen muss. Wir dürfen die Gegenwart nicht missbrauchen als Material für die Zukunft. Warum sollte es erst schön sein, wenn wir das Ziel unserer Reise erreicht haben, warum nicht schon jetzt?

Der polnische Arzt, Pädagoge und Schriftsteller Janusz Korczak hat einmal geschrieben, Kinder hätten einen Anspruch auf das Jetzt. Wir dürften nicht immer auf ihre Zukunft schielen.

Lern deine Vokabeln! Englisch wirst du später auf jeden Fall gebrauchen.
Du wirst keinen Job kriegen, wenn du nicht mehr für die Schule tust.
Wenn du deine Mütze nicht aufsetzt, wirst du morgen krank sein ...

Nein, lasst sie raus, wenn die ersten Schneeflocken fallen.
Lasst sie tanzen, wenn ihnen gerade danach ist.
Schmeisst mit Kissen, auch wenn die Betten frisch gemacht sind.

Lasst ihnen das Termin-vergessene Nichtstun.

"Im Holzschuppen einem Sonnenstrahl zuschauen, der durch ein Astloch in der Bretterwand hereinfällt, einer Stange aus Licht, die langsam weiterzieht und die jedes Mal, wenn die Henne sich wichtigtuerisch fuchtelnd in ihrer Erdmulde neu zurechtsetzt, mit goldenem Staubwirbel gefüllt wird, so dass sie an Körper zu gewinnen scheint und trotzdem nicht zu fassen ist."
 (Hermann Unterstöger in: Süddeutsche Zeitung Nr. 60 vom 12.3.2002, S. 15) 


Wir haben keine Henne, aber genug Schönes, um sich darin zu verlieren.

Immer wieder in den "Jetzt-Modus" gehen.

Immer schön fröhlich bleiben.

Uta

Mittwoch, 7. März 2012

Glückliche Familie Nr. 21: Sockenklarheit


Glück ist auch in der Sockenkiste zu finden.

Ich habe drei Sockenkisten in meinem Schrank: eine für die Schwarzen, eine für die Blauen und eine für Lauf- und Wollsocken. Die Trennung von Schwarz und Blau habe ich vorgenommen, damit ich nicht in aller Frühe auf die Fensterbank klettern muss, um Sockenknubbel ins erste Morgenlicht zu recken. Ist es nun Nachtblau oder Schwarz, Marine oder ein bläuliches Tiefdunkelgrau?

Die Sockenfarben in einer günstigeren Tageszeit zu ordnen und in Kisten vorsortiert in den Schrank zu legen, ist sinnvoll, kann ich empfehlen. Aber nach vierzig bis fünfzig Sortierdurchgängen, schleichen sich Fehler ein. Inzwischen herrscht ein farblicher Schlendrian in den Sockenabteilungen, der dem Morgen eine unverdiente Trostlosigkeit gibt.

Einige Paare haben sich in der Waschmaschine auseinander gelebt. Andere sind zwar zusammen geblieben, haben sich aber synchron abgenutzt. Kleine Gummifädchen haben sich aus dem Strickbund gelöst und fletschen ans Bein. Die eingestrickte Schuhgröße "38 - 42" besteht nur noch aus verfilzten Knübbelchen. Wenn ich - wie es früher Mutter und Großtante getan haben - mit der Hand in den Strumpf fahre, leuchtet mein Handrücken schweinchenfarben durch die Ferse.
Ein Loch, das wäre ein Statement, aber diese dünnen Stellen, deprimierend.

Heute morgen habe ich beschlossen:
  1. Ich kippe die ganze Blau-Schwarz-Abteilung in den Altkleidersack.
  2. Ich kaufe mir 20 Paare neue Strümpfe.
  3. Ich kaufe keine einzelnen zwischendurch nach, damit alle gleich schön sind und sich nicht einzelne Neue mit der Trostlosigkeit der Alten anstecken.
  4. Ich kaufe Strümpfe wie diese:

Socken-Mondrian

Socken-Farbenkreis 


Sie gehören Kronprinz und sind von H&M. Ich lobe mir eine solche Sockenidee. Während andere Hersteller davon ausgehen, jeder habe ein Oberlichtatelier zum Sockensortieren zu Hause, haben die Schweden an Menschen in dunklen Reihenhäusern gedacht. Sie wussten, dass in jeder Familie die Phase kommt, in der alle 38 - 42 tragen und Leute wahnsinnig werden beim Sortieren. Diese bunten Kanten, die auf links schön breit sind und auf rechts dezent schmal, machen mich glücklich.

Konnte man nicht eher darauf kommen, das ist doch keine Raketenwissenschaft.

Vielleicht mag mancher denken, dass sei ein banales Thema. Aber: Äußere Sockenklarheit bringt innere Klarheit.

Immer schön fröhlich sortieren.

Uta

Montag, 5. März 2012

Glückliche Familie Nr. 20: Alleinzeit für Mama


Der letzte Post trug die Überschrift "Ein Bad für mich allein". Heute heißt er "Alleinzeit für Mama". Ich hätte spontan Lust, eine Serie zu beginnen: "Eine Küche für mich allein", "Ein Computer für mich allein", "Ein Puderpinsel für mich allein"...
Das ist eine typische Nebenwirkung von Schulferien. Entweder es ist so quirlig, dass ich keinen einzigen Gedanken fassen kann, oder es ist so still, dass ich mir sicher bin, nur noch mit Computer-Junkies im Haus zu leben. "Dir kann man es aber auch nicht recht machen, Mama", sagt Prinzessin.

Heute im Morgengrauen war es mir recht. Im Haus war es noch still. Ich saß mit einem Buch und einem Becher Tee am Küchentisch. Glücklichmacher Nummer 1 ("the one and only") musste schon hinaus in die raue Arbeitswelt.




Mit jedem Satz, den ich lese, kommen meine Kräfte wieder. Die vergangenen Tage und das Wochenende waren turbulent, viele Besorgungen, Einladungen, ständiges Telefonklingeln, Übernachtungsbesuch von und bei den Kindern, hier ein Pizzabrot in den Ofen schieben, dort ein Bett überziehen ... Und jetzt diese Stille. Wunderbar. 

"Das Pendel muss zwischen Einsamkeit und Gemeinsamkeit, zwischen Einkehr und Rückkehr schwingen", schreibt Anne Morrow Lindbergh. Die Frau muss es wissen. Sie hatte sechs Kinder und machte 1930 als erste US-Amerikanerin ihren Flugschein. 
Ihr Bestseller "Muscheln in meiner Hand" entstand in einer einfachen Hütte am Meer, in die sie sich für wenige Tage zurückzog, um wieder Kraft zu schöpfen. (Wenn man zwei Kinder hat, reicht auch das Gartenhaus, oder? "Tulpenzwiebeln in meiner Hand", der neue Bestseller.)

Sie schreibt, dass die Pflichten des Alltags wie Zentrifugalkräfte sind, die uns von unserer Mitte wegzerren, und dass wir innerlich zerrissen werden, wenn wir keine Zeit für "ruhige, besinnliche Stunden allein, Gebet, Musik, systematisches Denken, Lesen oder Studieren" haben. "Jedes schöpferische Leben, ..., das den eigenen Bedürfnissen entspringt, ist dazu angetan." Ob wir nun bloggen, ein Brot backen, malen oder das Wohnzimmer umdekorieren. 

unsere Mitte finden


Ich finde am besten meine Mitte beim
  • Lesen
  • Schreiben
  • den Schreibtisch Aufräumen
  • Abendspaziergang mit meinem Mann
  • draußen in der Sonne Wäsche Aufhängen
  • die Spüle Polieren
  • Bügeln von Stoffservietten
  • Joggen
"Wenn ich das Inselhafte nicht irgendwie in mir erhalte," schreibt Lindbergh, "kann ich meinem Mann, meinen Kindern, meinen Freunden und der übrigen Umwelt wenig geben."

Mögt Ihr mir schreiben, wie Ihr Eure Mitte findet? 

Immer mal fröhlich allein sein

Uta






Samstag, 3. März 2012

Glückliche Familie Nr. 19: Ein Bad für mich allein


"Er nahm sie bei der Hand, er führte sie zu ihrem Stuhl zurück und war schon mitten in seiner Liebeserklärung, bevor sie noch recht begriff, warum er sie zurückgehalten hatte."
Nicht nur mein Herz, auch das Badewasser gerät in Wallung. Ich rutsche tiefer in die Wanne und halte das Buch über der Brandung. Würde Fanny Price den schneidigen Henry Crawford erhören? Mit tropfenden Fingern blättere ich um.
"Doch er redete weiter, gestand ihr seine Liebe, hoffte auf ihre Gegenliebe und bot ihr schließlich in so klaren Worten, dass selbst sie nicht an ihrem Sinn zweifeln konnte, sein Herz, seine Hand, sein Vermögen an."
Meine Seufzer drücken Höhlen ins Schaumgebirge. Die gute alte Fanny. Will sie Crawford wirklich einen Korb geben, nur weil sie für ihren Cousin, einen hausbackenen Jungprediger, schwärmt?

Das Buch in der einen Hand, greife ich mit der anderen nach dem Edelstahlhebel an der Wand, um eine warme Strömung unter meine Beine zu leiten. Die Haarspülung von Prinzessin stolpert ins Wasser und reißt das Antischuppenshampoo und den Putzschwamm mit. Die Flaschen treiben in der Badewanne wie Müll in einem Hafenbecken. Ich wische die Tropfen von Henry Crawfords Liebesschwur.


Fanny Price und das Schuppenshampoo, das hart gegen Westindien kreuzte  



Der Schwamm beginnt zu sinken, als Sir Thomas, Fannys Onkel, den Raum betritt. Sie aber flüchtet sich ins Ostzimmer, "wo sie in der äußersten Verwirrung widerstrebender Gefühle unruhig umher wanderte. Fanny bebte am ganzen Körper, während sie ihre Gedanken ..." Boing. Ein Faustschlag erschüttert die Badezimmertür. "Mama, ich muss da rein?" - "Och, ne, geh doch unten. Ich liege gerade in der Wanne." - "Nein, ich brauche mein Deo." - "Und ich brauche meine Ruhe."- "Ich muss aber gleich los."

Ich lege den Roman an den Wannenrand und patsche zur Tür. Kronprinz stürzt hinein und räuchert mich mit Deo ein. Seine Schwester und sein Vater stehen plötzlich auch im Bad.
Ich habe doch nur die Badezimmertür geöffnet und keinen sozialistischen Schlagbaum.
Prinzessin sucht den Nagellackentferner, und mein Mann hat sich über das Waschbecken gebeugt. Mit dem Gesicht hängt er vor der Stelle, die er mit meinem Handtuch frei gewischt hat, um an einem Mitesser herum zu quetschen.
Möchten vielleicht die Nachbarn auch noch kommen? Ich hätte noch zwei Stehplätze neben der Toilette zu vergeben.

Sollten wir im Lotto gewinnen, lasse ich mir ein Badezimmer ganz für mich allein einrichten. Mit einer Wanne, an deren Rand schimmernde Muscheln wie angeschwemmt liegen. Mit einem Korbsessel, über den sich die Seide eines Morgenmantels ergießt. Das Bad meiner Träume hätte eine dick gepolsterte Tür, wie man sie in Anwaltsbüros sieht, schallisoliert gegen Familienlärm. Ungestört könnte ich Janes Austens Mansfield Park lesen. Meine Lieblingsbücher stünden auf einem weiß lasierten Bord über dem Korbsessel. Jetzt lagern sie noch im Arbeitszimmer - sozusagen im Trockendock. Literatur, die mit ins Wasser darf, muss am Meer spielen. Zum Beispiel E. Annie Proulxs Schiffsmeldungen oder Katherine Mansfields Erzählung An der Bucht.


Die Invasion meiner Familie ins Bad erinnert mich an meine Teenagerzeit. Damals waren es die älteren Schwestern, die durch meine Intimsphäre latschten. "Was schließt du ab? Bei dir ist sowieso nix wegzugucken."
Schon damals tröstete ich mich mit Literatur. Daran erinnern die Wasserzeichen in den alten Ausgaben. Siddharta klebt in der Mitte zusammen, weil ich in meiner Hermann-Hesse-Phase Orangenöl in die Wanne kippte. Die gesammelten Werke von Jane Austen tragen eine knittrige Dauerwelle. In Mansfield Park sind die Seiten mit Henry Crawfords Heiratsantrag ganz brüchig. Wieder und wieder musste ich lesen, wie der Zampano in den Sog seiner Liebe zu Fanny Price gerät. In solchen Momenten war der Schaum auf meinen Schlüsselbeinen der Kragen eines Empirekleides. Und "Seiner Majestät Schaluppe", auf der Fannys Bruder William zur See fährt, trieb neben meinen Knien. Es war das Schuppenshampoo, das hart gegen Westindien kreuzte.

Hätte ich ein eigenes Bad, würde ich es nach dem Putzen versiegeln lassen. So eine Plakette käme an die Tür, wie die Kripo sie nach der Spurensicherung an die Wohnungstür klebt. Nur dass ich keine Spuren sichern, sondern sicherstellen will, dass es keine Spuren gibt.
Fanny Price - da bin ich mir sicher - hätte es gut getan, nach den Heiratsanträgen eines langen Tages in meinem "Anti-Stress-Bad mit Sandelholz" zu liegen. Vielleicht hätte sie einen Science-Fiction-Roman, der im Jahr 2012 spielt, zur Hand genommen und die Zeit genossen, in der weder ein Prediger noch seine Brut über ihr liebstes Zimmer herfallen.

Immer schön fröhlich bleiben

Uta













Donnerstag, 1. März 2012

Glückliche Familie Nr. 18: Innig bei YouTube


Ich wollte eigentlich einen Post schreiben über Computersucht, x-Box-Abhängigkeit, Playstation-Fieber und Nintendo-DS-Syndrom,    

über Teenager, die stundenlang vor dem PC hängen, rechts die Chips, links einen Energy-Drink,

über Jungs, die wir an I-Tunes verloren haben,

über kräftige Burschen, die anämisch in ihrem Schreibtischsessel hängen, schwacher Muskeltonus, die Haut bleich, die Augen glasig hinter dem Vorhang der Schüttelfrisur,

über Eltern, die das Kind, als es noch rosig war, täglich durch die Natur geschoben haben,

über Eltern, die armdicke Äste nach Hause trugen, weil der Junge sie für das Baumhaus brauchte, Pfützenspringen, Iglobauen, Stöckeschnitzen

über Eltern, die manchmal denken, dass das alles vergebens war, weil die Jungs jetzt als "Jäger in die virtuelle Welt ziehen" (Klaus Hurrelmann) und nicht so gesund leben, wie wir uns das vorgenommen hatten, als wir im Geburtsvorbereitungskurs bewusst in den Beckboden atmeten,

aber dann hatte ich keine Lust auf so einen Jammerpost. 

Ich hatte nämlich gerade begonnen, am Computer über die Computersucht zu jammern, als Kronprinz mir ein Gedächtnistraining am i-Pad zeigte und wir zusammen damit Spaß hatten. Danach haben wir uns zusammen bei YouTube den Film über den Mann angeschaut, der mit seinem behinderten Sohn zusammen den Ironman bewältigt (hier noch einmal). Wir mussten synchron schlucken und schniefen und hatten eine so innige Zeit, dass ich gar keine Lust mehr hatte über den Untergang des Abendlandes zu klagen.

Eine Erkenntnis möchte ich an dieser Stelle aber weitergeben:

An schulfreien Tagen und in den Ferien hat es bei uns geholfen, die Kinder gleich zu Beginn dieser großen Zeit des "Chillens" zu einer Lagebesprechung zusammen zu rufen und die Bedingungen für ungestörtes Computer- oder Nintendo-Spielen zu klären.
Ich habe ihnen gesagt, dass ich gut damit leben kann, wenn sie selbst für Ausgewogenheit sorgen, also auch Freunde treffen, lesen, Sport treiben, draußen sind. Und was soll ich sagen: Es hat in den vergangenen zwei schulfreien Tagen gut geklappt. Kronprinz war zum Schwimmen, hat Freunde getroffen und einigermaßen bereitwillig kleine Hausarbeiten übernommen. Prinzessin war bei den Nachbarskindern (am Computer?), hat alte Fotos angeguckt und ist mit einer Freundin zum Turnen gegangen.

Ich habe festgestellt, ich mache mir lieber die "Mühe" einer solchen Lagebesprechung als den Dingen ihren Lauf zu lassen, immer ärgerlicher zu werden und schließlich den ganzen Tag den Kindern hinterher zu meckern.

Immer schön fröhlich bleiben

Uta